Fünf Jahre ist es her, seit wir zum ersten Mal von Hagane-no-Ali hörten, und von diesem wütenden, mit rauher Stimme rappenden, charismatischen Churer zum ersten Mal fasziniert wurden. Gefühlt ewig war es her, dass es aus den bünderischen Gefilden so dringlich ins Flachland runter rappte. Und schon 2011 auf einem Handyvideo rappte er:
«I han wahnsinnig viel Skills, anderersiits, bini z fuul zum si ufzschriibe, was füre Ironie»
Das fasst die Karriere von Ali bislang eigentlich recht gut zusammen. Kollege und Wegmitbestreiter Mimiks sagt 2014 dann: «Wär de Ali ned so fuul, er wür do Ali verriisse.» Bei Konzerten wurde die Zeile vom Publikum laut mitgeschrien, seine «Faulheit» entwickelte fast Kultstatus. Das gipfelte dann am Cypher ’15, wo Ali mit gesunder Selbstironie meint:
«I bin wie de Cameron. I mach ein Song, mach drei Johr lang nüt, und d Lüt warten immer no of mi»
Im Juni ’15 droppte dann das Kollaboalbum mit dem Berner Produzenten-OG SAD und Kollege LC1, «Inoue», welches cool war, in die Top 10 chartete, und für einige Konzerte der Dreien sorgte. Aber DAS Ali-Produkt war es nicht, es spendete uns ewig-auf-den-Ali-Wartenden nur wenig Trost.
Umso schöner ist es, dass Ali 2017 ohne vorab-EPs oder grossem Promohype ENDLICH mit dem RICHTIGEN Debütalbum droppt. Und sind wir ehrlich: nach fünf Jahren des Aufrechterhaltens von Hype und Relevanz, braucht es fast keine Promo mehr.
Das Debütalbum von Ali heisst «Erol» – nach seinem verstorbenen Vater benannt. Ich habe es mir genau drei Mal angehört, mit nicht wenig Unbehagen in mir drin, denn meine Erwartungen waren massiv. Und schon vorab: Es ist richtig gut geworden. Ali macht in meinen Augen unglaublich viel richtig.
Seine Stimme macht alles glaubwürdig
Geschult durch jahrelanges spitten, verrauht durch zu viel schreien und auchen, kommt es so wütend aus ihm raus, dass man ihm, egal bei welchem Thema, zuhört und Glauben schenkt. Auf «Erol» klingt er meistens so wütend, man müsste fast schon das 2012 erschienene «Mikstape» von Mimiks in «Jong & im Vergliich zum Ali recht guetmüetig» umbenennen. Und diese Wut, diese Dringlichkeit, dieses essenzielle «HÖRMIRZU HÖRMIRZU HÖRMIRZU» in seiner Stimme und seiner Delivery machen, dass du einfach nicht weghören kannst. Und sie ist anwendbar auf seine drei Hauptgebiete: Rap, Familie & Herkunft und Liebe.
Ali treibt dir Pippi in die Augen, wenn er von seinem Vater rappt
«Wenn du diner Maa jede Monet Geld hei schicksch, obwohl sie gär keis will, sondern lieber ihre Sohn zrugg» («Erol»).
Auf «Mentor», einer der stärksten Songs, (kurz, weil: krasse Story UND krass geflowt) erzählt er vom Moment, in dem er seinen Vater sterben sah und spricht zu einer zweiten, unbenannten Vaterfigur. Das Wechselspiel zwischen Reue, Liebe, Vorwürfen an sich und Vater & Mentor ist extrem gut verwoben. Man fühlt sich, als würde Ali auf diesem Song mehr von sich zeigen, als andere in Autobiografien.
«I bin Rap I bin Rap I bin Rap I bin Rap I bin Rap»
Ali stellt dir die Nackenhaare auf wenn er brüllt «Und du steppsch back wenn de Drop kund» («Megatron») – und das passiert auf fast jedem Song. Sein Einstieg auf «BLS» ist so eigen, nach vorne gerappt und vollgepresst mit Silben und eigentümlicher Wortwahl, dass man gleich weiss: so rappt nur Ali.
Und diese Eigenheit im Klang seines Gesangs, seiner Rapstrophen, und sogar auf den alles-gleich-klingend-lassenden-Autotune-Hooks sorgt dafür, dass man Ali auch bei hochkitschigem zuhören kann, und mitfühlt, wenn er einen todernst, komplett uzynischen Lovesong schreibt und rappt: «Mis Handglenk X du ergit de Umfang vo mim Herz» («Handglenk»).
Und das ist es, was Ali ausmacht. Egal was er sagt, ich tendiere dazu, ihm nicht nur zu glauben, sondern fühle mich in seine Welt transportiert, laufe mit ihm durch das Rhyquartier, sein Chur wird durch seine Augen für mich zur Grossmetropole, sein Liebeskummer zur Depression und sein Turn-up zu meinem. Und das macht einen guten Rapper aus. Congrats.