Kriterium Nummer eins bei Künstlern: Einzigartigkeit. Ist das gegeben, macht es Sinn, sich ein Album anzuhören. Maurice Polos Stimme, sein Delivery, sein Slanggebrauch und seine hörbar despektierlich seitlich hochgezogene Oberlippe, enden in seinem uniquen Style und schaffen so eine Grundlage, die «prettyfürimmer» zu einer angenehmen Durchhörbarkeit verhelfen.
Die Produktionen, die zu 100 Prozent aus der Hand von Japhna Gold stammen, sind grossartig. Die Beats, die irgendwie nach 90er und trotzdem stark nach 2018 ohne Trap klingen, beherbergen feine, kleine Produktionsdetails und liebevolle Beatwechsel. So machen sie einen grossen Teil des Konstruktes von «prettyfürimmer» aus – und Japhna Gold somit zu einem wesentlichen Architekten des Albums.
Komplett aufwachsen? Nichts für Maurice Polo
Maurices Hauptstärke ist, dass er beim Rappen einfach cool klingt. Selbst in textlichen Momenten, in denen es um Reue geht, er Schwäche zeigt (nicht, dass das oft vorkommt) und seinen trotzigen inneren Peter Pan beschreibt, der sich weigert, komplett aufzuwachsen – er klingt immer noch so als würde er gerade an der Strassenecke in der Russenhocke Würfel spielen.
Maurice Polo ist ein Rapper durch und durch, der seine Grenzen erkennnt und sein Kerngeschäft in seiner Komfortzone betreibt – und die findet ihn spuckend auf einem meist harten Beat wieder, wo es auch mal eine Strophe lang nur um Schuhe gehen darf.
Überraschend melodiös und trotzdem bretternd
«prettyfürimmer» zeigt trotz aller Resistenz einen reflektierteren M. Polo, der mehr Gefühle präsentiert als auch schon – so ganz kann er seine 35+ Jahre Lebenserfahrung dann doch nicht verstecken. Musikalisch klingt das Album überraschend melodiös – sofern es gerade nicht brettert und stampft bei den Produktionen von Japhna Gold.
Das liegt an der Hookscheu von Polo: Er überlässt die meisten Refrains auf dem Album anderen, das tut «prettyfürimmer» gut, da sich einige der gefeatureten Künstler zu bislang ungehörten Facetten ihres Auftretens hinreissen lassen: King James (Jas Crw) singt auf «Panda» einen verheissungsvollen Refrain auf Portugiesisch und Japhna Gold rappt auf «Chido» die kopfnickigste San-Gallo-Raphook alles Zeiten.
Ist «prettzfürimmer» etwas für dich?
Stehst du auf Rapbanger mit zeitgemässen Duftnoten, kannst du dich mit dem Kampf der Plage des Älterwerdens identifizieren und/oder hast du Freude an ausgeprägter Hip-Hop-Ästhetik, dann wird «prettyfürimmer» ein wertvolles Erlebnis für dich. Wenn dich das alles nicht so interessiert, hör dir einfach «Panda», den relaxten Mainstream-Ambassador des Albums, an.