Das Album «BÂLΩNCE» markiert ohne Zweifel die bisherige Leistungsspitze von Kush Karisma . Nach zweimaligen am-Stück-Durchhören der LP bin ich voll des Lobes, der Hauch einer Kritik dann als Randnotiz, zu Schluss dieses Berichts.
Produktionen & Zeitgeist
Auf «BÂLΩNCE» ist der Name Programm: Kush zeigt sich vielseitig, versatil und reflektiert. Das Album klingt nach 2017, ohne dabei in cloudige Weiten abzudriften: nebst den paar gewohnten und erwarteten Banger-Representertracks («KK» ist dafür wohl das exemplarische Beispiel), findet man z.B. ernst gemeinte Autotune-Songs mit modernen Einflüssen (in dem Fall: Dancehall), wie der Intro- und Titeltrack «BÂLΩNCE» feat. Jae Prynse. Ich betone das «ernstgemeint», weil man aus dem Hause K.W.A.T . selten bis nie Ausbrüche aus dem klassischen Kopfnickerrap sieht, und einzeln betrachtet und dem Kontext entrissen, könnte man gewisse poppige Nummern (huch! jep, I said it) als Persiflage verstehen - mitnichten!
«BÂLΩNCE» wirkt 100% ernst gemeint und ehrlich
Kush der Konsequente - wenn auf «BÂLΩNCE» Battle- & Representertracks gemacht werden - dann richtig. #KK, der Song sagt alles. Aber genau so hält es Kush mit.. Lovesongs, z.B.! «1325» ist die Anzahl Kilometer, die Kush und seine Angebetete trennen, und ist eine sanfte, halb-gesungene Ode an seine ferne Liebe. Auf dem Song, aber vorallem auf autobiografischen Tracks wie «Lebensweg 2» oder «Spiegelbild», gibt sich der Basler viel Blösse und legt sein seelisches Innenleben recht unverfroren auf den Tisch. Und das wirkt unheimlich entwaffnend.
Man hört dem Basler einfach gerne zu, beim Feiern und Frauenbesingen («Fraue»), gleich wie beim tieftraurigen Abhandeln der Beziehung zu seinem verstorbenen Vater («Träne»). Dass da ab und an der Kitsch und der Pathos ihre Flügel etwas atemberaubend, aber unterstützend um den Song wickeln, stört keineswegs, sondern verleihen dem Werk mehr Authentizität. Man glaubt Kush nämlich, was er erzählt, und denkt sich: der Dude ist genau wie seine Songs.
Sogar auf dem klar fiktiven «Clyde ft. Bonnie», wo Kush und eine mysteriös namenslose Rapperin gemeinsam auf Kriegspfad ziehen, ist es dem Zuhörer bewusst, dass man jetzt durch die Fantasie-Augen von Kush eine Welt betrachtet, wie er sie gelegentlich wohl gerne sehen würde.
Hinter Kush steckt ein Mensch mit einer vielschichtigen, durchzogenen Vergangenheit, der nun einmal viel erlebt hat - und entsprechend viel zum Erzählen und Verdauen hat. Und er tut dies auf sehr unterhaltsame Weise.
Aus einem Guss
Deepness, Turn-Up, Representer: das klingt ja schon fast nach einem Patchwork-Album: «för jede oeppis debi». Stimmt so überhaupt nicht: «BÂLΩNCE» tönt nach einem Guss, einem zusammenhängenden und fortlaufenden Werk mit schwarzem Faden.
Die grösste Stärke von Kush, das Geschichtenerzählen, wird hervorgehoben durch zusammenhängende Lieder und sein hauseigener Pathos (der durch die tiefgedrückte Stimme verstärkt wird) verleiht Gesellschaftskritik wie auf «Digitalimmigrants», oder Carpe-Diem-Songs wie «Flugmodus» den nötigen Hauch Respekt vor einem Typen, den man zwar (nach Anhören seines Albums) mag, aber vor dem es auch völlig ok ist, einen gesunden Respekt zu wahren.
Klar sein bestes Werk: ein rundum sehr gutes Album. Die angekündigte Kritik hört sich so an: 19 Songs und 4 Bonustracks sind eine Spur zu viel des Guten: wohl hätte man 2-3 Nummern weglassen können, die keinesfalls schlechte Songs sind, aber neben anderen, wirkungsvolleren Tracks minutiöse Redundanzen darstellen. Aber das ist Kritik auf peniblem Niveau. Viel Liebe für «BÂLΩNCE»!