Wenn ein CH-Rap-Afficionado die Worte «Jong & Hässig» hört, wird er an eine Zeit erinnert, in der sich Angel Egli aka Mimiks einem tasmanischen Teufel gleich ins Bewusstsein – wenn nicht sogar in die Herzen – der Schweizer Rapszene ge-double-timed hat.
Mit einer damals beispiellosen Energie, einem US-Rap-typischen, aber CH-Rap-verpönten Grössenwahn und viel Wut stapfte der damals spindeldürre und käsebleiche selbsternannte «Lauch» in den kleinen Teich des Mundartraps – und liess den «*Lachs» raushängen. [*=2012er Luzern-Slang für Yarak]
Sein erstes «richtiges» Video , in der eigenen Wohnung vor dem Beamer gedreht, stellt rückblickend diesen Einstieg dar.
«Jong & Hässig»: der Anfang (2012)
Wer sich zur Zeit rund um den Release von Mimiks' Gratis-Mixtapes «Jong & Hässig» an Wochenenden in Luzern herumschlich, dem begegnete – etwa zwischen 1 und 4 Uhr morgens, meistens vor der « Bar59 » stehend – ein aufgedrehter Junge, der gerade dabei war, die kleine Schar von Bewunderern um sich herum mit neuen Parts zu «berappen».
Dieses angeheiterte «anrappen» kann – genau so wie der Typ, der beim Reden im Ausgang immer viel zu nahe an dein Gesicht steht – durchaus massiv auf die Nerven gehen. Die Verses, die jung Mimiks damals grenz-nüchtern vorrappte, waren aber von einer derartigen Qualität, dass man das gerne über sich ergehen liess.
Dieser Hunger, dieser Geltungsdrang und dieses Streben nach Aufmerksamkeit und Mittelpunkt waren, nebst der einzigartigen Technik, die ausschlaggebenden Faktoren weshalb ich diesen jungen MC damals fest in mein Rapherz schloss.
«VodkaZombieRamboGang» & «C.R.A.C.K.» (2014-2016)
Nicht, dass ich hier einen umfassenden Karriererückblick von Mimiks erstellen wollen würde (Dafür müsste man um einiges früher anfangen. Etwa 2006 bei einem Rapworkshop von Gimma oder bei Mimiks' erster Crew «Drunken Picasso»), aber um «Jong & Hässig: Reloaded», das dritte Album und vierte Langspielprodukt des Luzerner, adäquat einzuschätzen, bedarf es einer kurzen Zusammenfassung.
Mit «VodkaZombieRamboGang» gelang Mimiks ein idealer Charteinstieg auf Platz 1 – und damit wuchs sein Profil. Die ersten Ohren ausserhalb der manchmal inzüchtigen Rapszene horchten auf: der grosse Hype, der Mimiks nach «Jong & Hässig» aufwirbelte, wurde bestätigt. Intensive Touren folgten.
Es isch trurig aber wohr / Säg mer welle ander Rapper spielt zwei Toure imne Johr
Stress packte Mimiks zusammen mit Lo & Leduc auf seinen Song «Futur» und nahm den jungen Luzerner als Vorband auf seine Clubtour durch die Schweiz
Zum ersten mal in der Geschichte von Mimiks standen im Publikum jene Mütter, die Mimiks in seinen Texten nicht unregelmässig beleidigt. («Ond all ihr Loser müend verhüete / ech ned, ech vögle M*****e», «CyborgFlow», 2014).
Zusammen mit dem Release seines zweiten Albums «C.R.A.C.K.» (Platz 2 in den Charts), auf dem nebst den üblichen Verdächtigen aus den Reihen seiner Heimatstadt auch Stress & Xen gefeatured waren, wurde Mimiks spätestens 2016 zu einem etablierten Namen in der Schweizer Rap- und – traue ich es – Musikszene.
Kann Mimiks nach dem Erfolg noch «Jong & Hässig» sein?
An seinem Auftritt am « Virus Bounce Cypher » im Januar 17 kam die Ankündigung: «Jong & Hässig Reloaded» steht an. Der Titel lässt eine Rückkehr zu der Zeit vermuten, in der Mimiks einfach nur drauflosrappen und famous werden wollte. Doch: kann man nach den oben aufgeführten Erfolgen diesen Hunger überhaupt noch verspüren?
Ja.
Wenn ich nach wiederholtem Durchhören von «Jong & Hässig Reloaded» etwas festhalten kann, dann das: auf fast jedem Song hat es irgendeine Passage, bei der man denkt, dass Mimiks wahrscheinlich gestorben wäre, wenn er den 4er nicht eingerappt hätte.
Dieser Vibe des «um sein Leben rappen» ist energetisch durch das Album verteilt. Bei Strophen wie die beiden halb-acapella Verses auf «Was weisch du devo» und «Alles oder Nüt» wird es am ohrenscheinlichsten. Und immer bleibt die Ähnlichkeit zum namensgebenden Originalalbum. Nur musikalisch klingt es natürlich ganz anders.
Wo 2012 noch auf geklauten Amibeats gerappt wurde, erklingen jetzt hochpolierte Produktionen von HSA , DJO oder ZeDe , und Mimiks tut auf praktisch jedem Song etwas, was er sich früher fast nie traute: Er singt.
Mimiks traut sich mehr (zu)
Ja, Mimiks singt. Natürlich mit Hilfe von Auto-Tune, aber im Gegensatz zu den vorgehenden Alben lässt er nicht mehr jeden Gesangsrefrain von Dave oder Aleksej einsingen, sondern greift selber zur Melodie und beweist ein Händchen für Ohrwurmigkeit.
«Tüfgarage» ist wahrscheinlich der radiotauglichste Song, den Mimiks je geschrieben hat. Eine süsse, textlich dionysisch dreckige Dancehall-Pop-Ode feat. Auto-Tunegott Effe und Dave. Aber auch auf Epos-Brettern wie «Alles oder Nüt» lässt Mimiks die Melodie raus. Nein, ein grossartiger Sänger ist er nicht, aber 1: einfache Melodien sind gesangstechnisch nicht anspruchsvoll, und 2: Auto-Tune. Und genau diese Verspieltheit macht das Album aus.
So unverkrampft wie noch nie
Angel Egli ist ein getriebener Mensch. Einer, der nie wirklich zur Ruhe kommt. Einer, der sich selber, sein Schaffen, die Welt, ihr Zustand und seine Aussenwahrnehmung jede Sekunde hinterfragt.
Wenn mich Angel an einem Dienstagabend anruft, und Freudentränen-nah sagt, er habe das Game bis auf weiteres gekillt, so stehen die Chancen hoch, dass er am darauffolgenden Morgen ans Aufhören denkt und alle Fenster zur Welt verschliessen will. Dementsprechend schnell findet Mimiks seine eigene Musik nicht mehr geil – ein klassisches Rapper-Phänomen. Ich bin aber recht überzeugt, dass «Jong & Hässig Reloaded» eine recht lange Zeit im Herz von Mimiks bleiben wird.
Step as mic mit de Fischfinger / lueg sid «C.R.A.C.K» hassed mich au Feministinne
Er bezeichnet das Album als sein bestes, mit Abstand. Das unterschreibe ich sehr gerne.
Von Punchline-Bangern wie «Vodkapriis», oder «Redbi & Vödu», über Trapbanger wie «Stormtrooper» oder «Effe si Hond», zu regelrechten Hymnen wie der geschmacksgestörten, affengeilen «041 Homeparty» oder «Was weisch du devo» – das Album macht Rap- und Mimiks-Fans glücklich.
Auf Inhalt wird grösstenteils verzichtet: Jah Bless. Mimiks wird sich vielleicht irgendwann einmal zu einem Rapper entwickeln, vom dem man tiefe Abhandlungen von Weltgeschehen und Politik erwartet – und gerne hört. Der Zeitpunkt ist aber noch weit weg, denn Angel Egli wird noch viele Jahre und Releases «jong» und «hässig» bleiben.