1: Neuchâtel
Unter den nicht veröffentlichten Artikeln der Virus-Webseite gab es einmal einen mit dem ungefähren Titel «Das sind die hässlichsten Orte der Schweiz». Keine Ahnung, warum der Beitrag nie erschienen ist; wahrscheinlich lag es daran, dass dort Neuchâtel zu den hässlichsten Orten gezählt wurde.
Das ist totaler Quatsch, denn Neuchâtel ist ganz im Gegenteil einer der schönsten Orte der Schweiz! Alleine schon der Häuser aus Sandstein wegen, die in der Sommersonne wie Gold leuchten. Ausserdem gibt es einen See – hässliche Orte haben keine Seen. Im Artikel war auch zu lesen, in Neuchâtel stinke es schrecklich. Auch das ist eine gemeine Lüge.
2: Die Filme
Am NIFFF gibt es einen internationalen Wettbewerb, einen Wettbewerb für das Kino aus Asien und den Schweizer Kurzfilmwettbewerb. In allen Kategorien siehst du Filme, die sonst nie oder erst viel später in Schweizer Kinos laufen – kambodschanische Action-Kracher zum Beispiel oder subtile Zombie-Dramen aus Skandinavien.
Oder: «Marlina the Murderer in Four Acts» aus Indonesien, der im Programmheft so angekündigt wird: «Nachdem sie mehrere Männer umgebracht hat, die ihr an den Kragen wollten, begibt sich eine Witwe auf einen Rache-Road-Trip, getrieben von einem kopflosen Geist.» Jetzt weisst du, was mit «Filme, die sonst nie in Schweizer Kinos laufen» gemeint war.
3: Die anderen Filme
Neben dem Wettbewerbsprogramm gibt es gut ein Dutzend weiterer Reihen, in denen Filme aus Russland und Lateinamerika gezeigt werden, Trick- und Kurzfilme ihren Platz haben oder besonders blutige Titel (das Festival nennt sie «Ultra Movies») zu sehen sind.
Reverend Beat-Man bekommt eine Carte Blanche, seine liebsten Filme vorzustellen und dem Anfang Jahr verstorbenen japanische Kult-Regisseur Suzuki Seijun ist eine Retrospektive gewidmet. Eine seltene Gelegenheit, seinen Yakuza-Kracher «Detective Bureau 2-3: Go to Hell Bastards!» einmal auf der grossen Leinwand zu sehen!
4: Was kurz vor dem Film passiert
Warten bis im Kino endlich der Film beginnt, gehört zu den schlimmsten Erfahrungen im Leben eines Menschen. Links von dir versucht ein Halsbart-Träger seine Begleiterin mit Star-Wars-Trivia zu beeindrucken, rechts von dir packt einer seinen Döner aus, von der Leinwand schreit dir eine viel zu gut gelaunte BWL-Studentin entgegen, schnell ein Jugendkonto bei einer Bank zu eröffnen.
Nicht so am NIFFF! Halsbärte siehst du dort zwar auch (siehe 6), aber wenigstens wird dir das Warten nicht durch laute Werbung zur Hölle gemacht. Stattdessen erzählen dir die NIFFF-Präsentatoren alles über die Entstehungsgeschichte des Films, den du gleich sehen wirst. Und wenn du Glück hast, gibt der Regisseur oder die Regisseurin gleich selbst auf der Bühne Auskunft (siehe 7).
5: Was unmittelbar vor dem Film passiert
Das oben war gelogen, zumindest ein wenig: Auch am NIFFF wird vor dem Film Werbung gezeigt. Aber das Publikum hat einen Weg gefunden, selbst das noch erträglich zu machen. Im Lauf des einwöchigen Festivals entwickelt die Schwarmintelligenz alljährlich wilde Call-and-Response-Muster und laute Rufe, die an einer bestimmten Stelle der Reklame fällig sind.
Der Trailer für den «Film de minuit» des Westschweizer Fernsehens RTS (links) wird zum Beispiel seit Jahren von kollektivem Gruselgelächter an der immer gleichen Stelle begleitet (am Ende, wenn die gut gekleideten Skelette auf das Haus zulaufen). Es ist sehr lustig.
6: Das Publikum
Von Winston Churchill ist das Zitat überliefert: «Festivals wären etwas Schönes, wenn es bloss das Publikum nicht gäbe.» Der Mann hatte Recht – mit Ausnahme des NIFFF. Hier treffen jedes Jahr hartgesottene Gorehounds auf Einheimische, dich sich einen schönen Kinoabend machen wollen und keine Ahnung haben, dass sie gleich einen Film sehen werden, in dem ein Mann seinen eigenen Kopf isst.
Ok, das war übertrieben: Niemand kann seinen eigenen Kopf essen. Aber das ändert nichts daran, dass die Stimmung am NIFFF dem Festival-Fokus entsprechend fantastisch ist. Das Churchill-Zitat ist übrigens frei erfunden.
7: Die Gäste
Unters Festival-Publikum mischen sich am NIFFF jedes Jahr prominente internationale Filmschaffende. 2017 reist zum Beispiel der japanische Non-Stop-Regissuer Takashi Miike («Audition») als Ehrengast nach Neuchâtel. Er hat mit «Blade of the Immortal» eben seinen 100. Film gedreht hat und stellt ihn am Festival vor. Zuvor kannst du Miike an einer öffentlichen Podiumsdiskussion persönlich fragen, mit wie wenig Schlaf einer auskommen muss, wenn er bis zu acht Filme im Jahr dreht.
Am letzten NIFFF war übrigens John Carpenter zu sehen, der live auf der Bühne seine Synthesizer-Soundtracks spielte. Auch das war toll.