«Als kleines Kind registriert man nicht, dass man anders ist und begegnet sich von Kind zu Kind», bemerkt Dembah Fofanah, als wir ihn treffen. Das passiere erst, wenn man von Erwachsenen darauf angesprochen bzw. anders als andere behandelt werde – oder in seinem Fall seine Mutter gefragt wurde, woher sie Dembah denn adoptiert habe, weil er eine dunklere Hautfarbe als sie hat.
Doch geboren ist der Mitgründer des Kollektivs «Vo da.» im Zürcher Unispital als Sohn einer Schweizer Mutter und eines Vaters aus Sierra Leone. Für diesen war es anfangs schwierig hier: Er konnte keine der Landessprachen und hatte nur wenig Schulbildung.
Verschwiegene Vergangenheit
Letzteres geniesst Dembah zwar, doch gerade was Schweizer Geschichte angeht, werde in der Schule einiges ausgelassen, weiss der 28-Jährige: «Vor noch nicht allzu langer Zeit hat man schweizweit, unter anderem auch auf der Letziwiese in Zürich, sogenannte Völkerschauen durchgeführt, wo ‹aussereuropäische› Menschen ausgestellt wurden. Diese wurden auch ‹Menschenzoos› genannt, weil es genau das ist, was sie eben waren», erzählt Dembah.
Viele Leute haben das Gefühl, dass etwas nur rassistisch sein kann, wenn es auch so gemeint ist.
Auch wenn solche rassistischen Veranstaltungen heute nicht mehr existieren: Rassismus ist keinesfalls verschwunden. Und auch die rassistisch diskriminierenden Begriffe von damals leben immer noch weiter. Ein Beispiel dafür: das Haus «Zum kleinen Mohren» im Zürcher Niederdorf. Es suggeriere völlig unkritisch, dass es legitim sei, rassistische Sprache und Darstellungen auch heute noch zu verwenden, erklärt Dembah. «Viele Leute haben das Gefühl, dass etwas nur rassistisch sein kann, wenn es auch so gemeint ist.» Das stimme aber nicht, denn es gehe vielmehr darum, was gesagt werde und vor allem wie das von der betroffenen Person aufgenommen werde.
Rassismus: ein System-Problem
Und: «Die Schweizer Bundesverfassung sagt klar, dass niemand diskriminiert werden darf», weiss der «Vo da.»-Mitgründer. «Genau aus diesem Grund ist es mehr als legitim zu fordern, dass diese rassistische Darstellung und diese Häusernamen endlich entfernt werden.»
Wenn Schweizer*innen 400 Jahre lang versklavt worden wären und ihre eigenen Namen hätten abgeben müssen, dann wäre es legitim zu verlangen, dass man ‹Bünzli› heute nicht mehr sagen darf.
Forderungen wie diese haben aber auch ihre Kehrseite, denn viele würden dies zum Anlass zu nehmen, Vergleiche aufzustellen: «Aber wenn man mir ‹Bünzli› sagt, dann ist das dasselbe…», zitiert Dembah und fügt an: «Wenn Schweizer*innen 400 Jahre lang versklavt worden wären und ihre eigenen Namen hätten abgeben müssen, dann wäre es legitim zu verlangen, dass man dieses Wort heute nicht mehr sagen darf.» Doch es stehe eben nicht auf derselben Stufe wie bewusst herabwürdigende Begriffe, die eine jahrhundertealte Geschichte der Unterdrückung und Entmenschlichung haben.
Fast niemand will Rassist*in sein. Wir kommen jedoch auf die Welt in ein System, das uns früh rassistisch sozialisiert.
Für Dembah ist klar: «Fast niemand will Rassist*in sein. Wir kommen jedoch auf die Welt in ein System, das uns früh rassistisch sozialisiert.» Dieses lehre uns gewisse erfundene Zuschreibungen zu bestimmten Personen zu machen und gebe jemandem, der anders aussieht als die weisse Mehrheit in einer Gesellschaft zu verstehen, dass man sich für sein Dasein stets zu rechtfertigen habe. «Etwas, das sehr viele Leute, die nicht dieselbe Hautfarbe wie ich haben oder andere bestimmte Merkmale, die als ‹nicht-schweizerisch› gedeutet werden, aufweisen, nicht müssen.»
Rassismus geht uns alle etwas an und es braucht auch alle, um ihn wieder dekonstruieren zu können.
Diese Ungleichbehandlung sei ein Ausdruck des rassistischen Systems, das bestimmte Menschen grundsätzlich privilegiert und andere benachteiligt. «Um etwas dagegen zu unternehmen und mehr Gerechtigkeit zu schaffen, braucht es zuallererst die Anerkennung dessen und anschliessend eine kritische Auseinandersetzung mit der eigenen Position in diesem System.» Rassismus gehe uns nämlich alle etwas an und es brauche auch alle, um ihn wieder dekonstruieren zu können, meint Dembah.