In Bern geboren, wächst Politikerin Tamara Funiciello bis zu ihrem zehnten Lebensjahr auf Sardinien auf, denn: Ihr Vater ist Italiener, der in den Siebzigern in die Schweiz kam und sich hier in ihre Mutter verliebte.
Als Migrantin in der Schweiz
Nach zehn Jahren in Italien ist es in Bern nicht einfach für Familie Funiciello: Tamaras Vater arbeitet in einer Fabrik, ihre Mutter ist Detailhandelsangestellte. «Wir haben so lange nach einer Wohnung gesucht, die wir uns leisten konnten», erinnert sie sich. Der Wohnblock, in dem sie endlich fündig werden, steht unter einer Autobahnbrücke. «Das zeigt, dass Migrant*innen schon einen Platz haben. Er ist aber nicht mitten in der Gesellschaft.»
Ich möchte solidarisch sein, ich möchte feministisch sein, ich möchte Gewerkschafterin sein.
Das Aufwachsen in der Arbeiterklasse, ihr Geschlecht und ihre sexuelle Orientierung lösen in Tamara Funiciello Kampfgeist und Willen aus: «Ich möchte solidarisch sein, ich möchte feministisch sein, ich möchte Gewerkschafterin sein», erklärt sie.
Gleichberechtigung für alle
Ich will, dass alle zu Fuss heimgehen können, zu welcher Uhrzeit sie auch immer wollen!
In ihren politischen Ämtern als Nationalrätin und Co-Präsidentin der SP Frauen Schweiz setzt sich die 30-Jährige mitunter deshalb für Gleichberechtigung ein: «Ein weisser, hetero Cis-Mann kann einfach zu Fuss in der Nacht heimgehen, ohne Angst zu haben. Eine weisse, hetero Cis-Frau kann sich das schon viel weniger leisten», erklärt Tamara. Und eine schwarze Transfrau würde wahrscheinlich gar nicht zu Fuss gehen, sondern nähme ein Taxi – falls sie es sich leisten könne. «Ich will, dass alle zu Fuss heimgehen können, zu welcher Uhrzeit sie auch immer wollen!»
Ich glaube nicht an unterschiedliche Kulturen, ich glaube an unterschiedliche Klassen.
Als sie an die Uni kommt, wird Tamara bewusst: «Ich war die einzige, die noch nie in einem Ballett war oder eine Oper gesehen hat. Das hat man bei uns nicht gemacht, wir haben Fernsehen geschaut.» Diese Unterschiede merke man erst, wenn man aus der Arbeiterklasse in die Akademie wechselt – wie es Tamara vor ein paar Jahren selbst tut. Deshalb sagt sie: «Ich glaube nicht an unterschiedliche Kulturen, ich glaube an unterschiedliche Klassen.»
Leute, die hier auf die Welt kommen, gehören zu uns.
In der Schweiz muss sich in Tamara Funiciellos Augen deshalb noch vieles tun – zum Beispiel in Sachen Selbstkritik. «Selbstkritik führt dazu, dass wir besser werden. Und wir müssen besser werden.» Unter anderem müsse die Einbürgerung einfacher werden: «Leute, die hier auf die Welt kommen, gehören zu uns.» Konkret heisst das für sie: keine Einbürgerungsverfahren, keine «Du gehörst nicht zu uns»-Diskussionen. «Sie gehören zu uns, fertig!»