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Homosexualität im Sport Schwule Profisportler – immer noch ein Tabu

Keinen einzigen geouteten Profifussballer gibt es in der Schweiz. Homosexualität, insbesondere bei Männern, ist im Mannschaftssport immer noch ein Tabu. Für Livio schwer verständlich, wie das im Jahr 2021 möglich ist. In der neuen «Unzipped»-Reportage geht er genau dieser Frage auf den Grund.

Mit seinem Coming-out im Januar hat Basketballspieler Marco Lehmann eine Art Pionierrolle im Schweizer Mannschaftssport eingenommen. Seither hat der 27-Jährige fast nur positive Reaktionen bekommen. Und viele junge schwule Sportler haben sich bei ihm gemeldet. Sie kämpfen mit den gleichen Problemen, wie Marco es jahrelang tat. Dabei sei ihm im Vorfeld gar nicht bewusst gewesen, dass er mit seinem Coming-out eine Vorbildfunktion einnehmen könne: «Ich wusste aber, dass es in allen Sportarten schwule Männer gibt. Auch im Fussball und Eishockey. Und die leben im Moment alle im Geheimen.»

Energiezehrendes Geheimhalten

Als heterosexueller Mensch musst du dich nicht outen, weil man automatisch annimmt, es sei so. Heterosexualität gilt als Normalität.
Autor: Olivier Borer SRF-Sport-Moderator

Doch warum ist es ein Problem, wenn sich Sportler*innen nicht öffentlich outen? Als heterosexuelle*r Sportler*in spielt die sexuelle Identität vordergründig auch keine Rolle. «Warum braucht es überhaupt ein öffentliches Coming-out?», fragt Livio den schwulen SRF-Sport-Moderator Olivier Borer. «Eine gute Frage, aber sie macht mich auch wütend. Ja, als heterosexueller Mensch musst du dich nicht outen, weil man automatisch annimmt, es sei so. Heterosexualität gilt als Normalität.» Nicht über seinen Partner oder sein Privatleben reden zu können, koste jedoch viel Energie. Er selbst beschloss daher nach einigen Jahren seinen Arbeitskollegen von seiner Homosexualität zu erzählen.

Bei Marco Lehmann dauerte es länger. Zehn Jahre hielt der Zürcher Basketballspieler seine Homosexualität im Sportumfeld geheim, versuchte Sport und Privatleben strikt zu trennen. Dann brach er zusammen und wusste: «Ich kann nicht mehr weiter Sport machen, wenn ich jetzt nicht endlich ich selbst sein kann.»

«Unzipped»

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«Unzipped» ist das gesellschaftspolitische Format von SRF Virus.

In regelmässigen Reportagen erleben die beiden Hosts Livio Carlin und Lena Oppong hautnah gesellschaftliche Konflikte mit. Sie begeben sich in unangenehme Situationen, recherchieren vor Ort und begegnen jungen Menschen mit einer aussergewöhnlichen Geschichte. Sie gehen mit einer klaren Haltung an die Themen ran mit dem Ziel, sich der ihnen fremden Welt zu öffnen und sie kennenzulernen.

Und im «Unzipped»-Talk treffen regelmässig zwei Gäste aufeinander und besprechen ihre unterschiedlichen Meinungen zu einem Thema.

Doch wovor haben diese Sportler Angst? Marco berichtet Livio davon, wie abhängig man als Mannschaftssportler*in von der Gunst der Trainer*innen, Mitspieler*innen und Sportclubs sei.

Und er berichtet von einem homophoben Vorfall im Mannschaftsbus: «Mein Teamkollege sagte, Schwulsein sei eine Krankheit und diese Leute sollten sich umbringen.» Ein Spruch, der ihn stark beschäftigte: «Ich dachte: ‹Ok, wenn Leute so über mich denken, dann höre ich auf›.»

Es macht dich extrem stark. Auch in anderen Lebenssituationen. Was für andere ein Weltuntergang darstellt, sind für mich Peanuts.
Autor: Marco Lehmann Basketballspieler

Heute ist er überzeugt, dass die zehn Jahre bis zu seinem Coming-out nicht vergebens waren: «Es macht dich extrem stark. Auch in anderen Lebenssituationen. Was für andere ein Weltuntergang darstellt, sind für mich Peanuts.»

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