Der Reiz vom einfachen, schnellen Geld
Die wirtschaftliche Rechnung ist einfach: Um die Glücksspielindustrie lukrativ zu halten, muss es immer Verlierer geben. Vorweg gilt also bereits zu sagen, dass für Spielende im Casino unter dem Strich das Glücksspiel immer eine negative Gesamtbilanz aufweist.
Das Leben als Profi-Poker-Spieler
Dennoch, es gibt sie: die Gewinner. «Vor allem beim Pokern. Denn dort kann man von allen Glücksspielen am ehesten beeinflussen, wie man spielt.», das sagt Jonas* (30). Jonas spielt schon seit 12 Jahren professionell Poker und verdient so seinen Lebensunterhalt. Jonas zählt sich selbst zu den 5-10% aller Pokerspielern weltweit, die ihre Spielleidenschaft zum Beruf gemacht haben.
Mit dem Pokern verhält es sich so wie mit jedem anderen Vollzeitjob. Ich arbeite fünf Tage die Woche à ungefähr acht Stunden. Dabei verdiene ich ein für die Schweiz durchschnittliches Monatsgehalt.
«Poker ist lernbar»
Jonas spielt sowohl online als auch im Casino. Sehr reizvoll dabei: Jede Person kann es lernen. «Heutzutage ist es aber etwas schwieriger, als beispielsweise noch vor 10 Jahren, mit Poker reich zu werden. Doch es geht!», so Jonas. Das Netz sei nur so voll mit Foren, Youtube-Tutorials und Live-Coachings. So könne jede Person, die etwas Zeit investiere, die Kniffs und Tricks von Online-Poker erlernen, sagt Jonas. Gespielt werde jeweils von ganz kleinen Beträgen bis hin zu hunderttausenden von Franken.
Da der Adrenalinkick sehr hoch ist, wie auch das obige Video schön zeigt, gab es auch bei Jonas Momente, in denen er fürchtete, abhängig zu werden.
Hierbei kristallisiert sich allerdings der prinzipielle Unterschied zwischen Laien- und Profispielern heraus: Profi-Spieler sind nicht nur Profis, weil sie das Spiel besonders gut beherrschen, sondern weil sie sich selbst besonders gut beherrschen.
Jonas trifft ab und an Familienväter an, Samstagmorgens in einer Kneipe. Der Kontrollverlust trete dann ein, wenn entweder der Faktor Zeit oder der Faktor Geld unverhältnismässig wird. Beim Faktor Zeit werde vom Süchtigen das soziale Umfeld sowie die sozialen Pflichten vernachlässigt. Beim Faktor Geld häufen sich bei den Betroffenen Schulden über Schulden an.
Welche Leute spielen am meisten?
Gemäss Christian Ingold, Fachexperte beim Zentrum für Spielsucht RADIX, sind keine Menschen bestimmten Alters betroffen, sondern Menschen in schwierigen Lebenslagen und mit benachteiligtem sozioökonomischen Status. «Was man aber ganz klar sagen kann: Das Glücksspiel ist männlich. Die Männer- zu Frauenquote verhält sich circa 80 zu 20 Prozent.»
Glücksspiel ≠ Glücksspiele
Nicht alle Glücksspiele bergen dasselbe Abhänigkeitspotenzial.
Primär geht es hier um hohe Ereignisfrequenz. Das bedeutet: Je mehr Ereignisse pro Zeiteinheit stattfinden, desto reizvoller ist ein Glücksspiel. Sehr hoch ist diese Quote bei Online-Glücksspielen.
Überraschend dabei: Das stärkste Abhängigkeitspotenzial gehe ganz klar vom Börsenhandel aus. Denn: Die Börse aktualisiert sich 24/7. Ausserdem besitzt die Börse - im Vergleich zu anderen Glücksspielen wie zum Beispiel Roulette oder Blackjack - keinen «verruchten» Touch, sondern ist eingebettet in eine Wolke der Professionalität. («Weisch, ich bi chli ade Börse und so.»)
* Name von der Redaktion geändert