Was ist die angenehmste Art zum Sterben? Lieber kremiert oder im Sarg beerdigt? Und wie fühlt sich der Tod eigentlich an? Nach der Enttabuisierung von intimen Themen wie der psychischen Gesundheit oder sexuellen Identität scheint es, als würden sich immer mehr Menschen an das grösste aller Fragezeichen wagen: die eigene Sterblichkeit.
Für die Hintergrundsendung «Kompass» (oben) hat Host und Produzent Jan Gross zwei Frauen getroffen, die die Diskussion rund um den Tod ankurbeln möchten: Die eine mit einem mehrtätigen Mitmach-Festival, die andere mit einem Kaffeekränzchen der anderen Art.
Der Tod bekommt ein Festival
Neu ist die Auseinandersetzung mit dem Tod für Andrea Keller nicht: Gemeinsam mit ihren beiden Kollegen Patrick Bolle und Paolo Monaco (auch bekannt als «Kulturbande») hat die Kreativschaffende bereits ein Buch namens «Innereien» geschrieben, in dem es unter anderem ums Sterben geht und ein Fundbüro für Immaterielles eröffnet, wo Verluste und Fundgeschichten gemeldet werden können.
Mit «Hallo, Tod!» planen die drei Freunde nun ihr nächstes Projekt: ein kulturelles Festival rund um den Tod, das vom 27. bis 29. Mai 2021 in Zürich stattfinden wird. Bis auf ein paar einzelne Programmpunkte wie eine Schreibwerkstatt zur Verfassung des eigenen Nachrufs oder ein Podcast namens «Tod & Leben» ist noch alles offen.
Die Idee des Festivals ist es, dass sich jede*r mit einer Veranstaltung einbringen kann. Ob Lesung, Performance, Diskussion oder Ausstellung – alles ist erlaubt. Auch Kurioses oder Lustiges. Einzige Bedingung ist eine intensive Auseinandersetzung mit dem Thema und die Möglichkeit, den Event irgendwo in der Stadt Zürich durchführen zu können. Wer dabei sein möchte, kann seine Idee noch bis am 31. Oktober 2020 auf der Website einreichen.
Der Tod gehört einfach zum Leben dazu - und doch haben wir einen extrem verkrampften Umgang damit.
Doch warum gerade jetzt? Hat sie die Corona-Krise inspiriert? Nicht wirklich, meint Andrea Keller. Zwar habe sie die momentane Präsenz der Sterblichkeit durchaus vorangetrieben, aber grundsätzlich geistere die Idee schon länger herum. Dies vor allem, weil sie eine momentane Suchbewegung spürt und feststelle, dass es zeitgemässere und aktuellere Antworten rund um den Tod braucht. Darum sei es ihr Wunsch, dem Publikum mit «Hallo, Tod!» einen natürlichen Zugang zu einem heiklen und sensiblen Thema zu ermöglichen – und am Ende vielleicht sogar einen Stein ins Rollen zu bringen.
Kaffee und Kuchen zum Sterben
Auch Sarah Buchmann befasst sich seit Längerem mit dem Tod und ist schon früh damit in Berührung gekommen: Im Alter von fünf Jahren sieht sie zum ersten Mal einen toten Menschen. Es ist ihr Onkel, von dem sie sich in einer Aufbahrungshalle verabschiedet. Wenig später hat sie eine Nahtoderfahrung und kommt wegen einer starken Grippe beinahe ums Leben.
Für sie der Schlüsselmoment, um sich intensiv mit der eigenen Sterblichkeit auseinanderzusetzen. Sie beginnt einen Roman über eine amerikanische Bestatterin zu schreiben und nimmt an verschiedenen Veranstaltungen rund um den Tod teil. So auch am «Death Salon» in London, einer zweitägigen Messe mit Gesprächen und Lesungen. Dort stösst sie auf die sogenannten «Death Cafés» und staunt nicht schlecht, als sie erfährt, dass es sich dabei um ein Konzept des Schweizer Soziologen Bernard Crettaz handelt.
Braucht es wirklich eine Diagnose, damit ich einen Grund habe, um über den Tod nachzudenken?
Sinn und Zweck dieser «Death Cafés» ist es, Leute an einem bestimmten Ort zusammenzubringen, um sich frei über den Tod auszutauschen. Veranstaltet werden dürfen sie von allen, die sich ans offizielle Regelwerk halten: Es ist jede*r willkommen, die Gespräche sind wertfrei und es darf nichts verkauft werden – weder Esswaren noch Ideologien.
Sarah Buchmann beschliesst, die «Death Cafés» nach Zürich zu bringen und veranstaltet im November 2014 die erste Ausgabe. Vom älteren Ehepaar über eine Sterbebegleiterin bis hin zum neugierigen Teenager ist alles mit dabei. Am Anfang herrscht für einige Minuten verhaltene Stille, doch dann bricht das Eis. Kein Wunder, denn die Diskussionen werden schnell intim und persönlich. Das schweisse selbst die unterschiedlichsten Leute für einige Stunden zusammen, erzählt Sarah Buchmann lächelnd.
In den letzten Jahren hat sie bereits vier Mal zum tödlichen Kaffeeklatsch eingeladen und die «Death Cafés» sind mittlerweile zur globalen Bewegung geworden: Über 11'500 Mal wurden sie schon durchgeführt in praktisch jedem Land auf der Welt. Diese Popularität überrascht Sarah Buchmann nicht. Man habe den Tod ausgelagert und gerade die Religion falle für immer mehr Menschen als Sinnstifter weg. Darum sei der Redebedarf verständlich – und die Diskussion längst überfällig.
Sprichst du über den Tod oder ist es für dich nach wie vor ein absolutes No-Go? Teile deine Meinung via Sprachmemo ins Studio an 079 909 13 33 oder hinterlasse unten einen Kommentar.