In der Schule gehört Rafael zu den coolen Kids, hinter seiner Fassade fehlt es ihm jedoch an einem hohen Selbstwertgefühl. «Ich musste andere mobben, um mich selbst besser zu fühlen», erklärt er.
Panikattacken als erster Indikator
Allgemein ist die Pubertät und die Sekundarschulzeit für ihn eine schwierige Phase. Wenn er unter vielen Leuten ist, bekommt er Herzrasen, hat ein einengendes Gefühl in der Brust. «Es waren klassische Panikattacken», weiss er heute.
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Damals werden seine Symptome auf körperliche Probleme abgewälzt und es wird ihm Eisenmangel diagnostiziert.
Später in der Lehre werden seine Panikattacken häufiger, nach Abschluss der Rekrutenschule findet Rafael über Vitamin B zwar einen Job, rutscht aber bald in die Arbeitslosigkeit. «Ich war durcheinander und es war die erste Phase, in der es mir sehr schlecht ging», erinnert er sich. Es habe sich angefühlt als schwebe er in einem luftleeren Raum und er habe auch keine Perspektive mehr gesehen.
Wir meinen immer, wir schaffen alles selbst und sind gut genug, aber glaubt mir: Man schafft es nicht alleine.
Damals merkt der junge Mann, dass er professionelle braucht. Denn: «Wir meinen immer, wir schaffen alles selbst und sind gut genug, aber glaubt mir: Man schafft es nicht alleine.»
Die Diagnose: ein Schock
In Behandlung bei seinem ersten Psychiater wird ihm die Diagnose Depression gestellt. Ein Schock für Rafael. «Ich fiel voll in ein Loch und dachte: ‹Ich bin ein hoffnungsloser Fall›.»
Anfangs versucht Rafaels Psychiater, seine Situation mit natürlichen Heilmitteln wie Johanniskraut oder Baldrian zu verbessern – ohne Erfolg. Anti-Depressiva zu nehmen ist für Rafael eigentlich kein Weg, doch er merkt: «Es gibt keine andere Option.»
Schlussendlich helfen Medikamente nicht, die Krankheit zu heilen, aber sie helfen dir, die Welt wieder wahrzunehmen.
Ziemlich schnell ist er auf die Medikamente eingestellt und merkt: Das Leben ist gar nicht so schlimm. «Schlussendlich helfen Medikamente nicht, die Krankheit zu heilen, aber sie helfen dir, die Welt wieder wahrzunehmen», erzählt er. Das sei eben der Heilungsprozess. Seine Tabletten nimmt Rafael bis heute, will sie auch erst dann absetzen, wenn er wieder eine Struktur hat in seinem Leben.
Ein weiterer Zusammenbruch
Denn als es ihm besser geht, er von zuhause auszieht und ein Studium beginnt, kommt ein weiterer Zusammenbruch. «Ich bin irgendwann wie ein Zombie in meiner Wohnung umhergewandelt», erinnert er sich und fügt an: «Ich hatte Angst um mich selbst.»
Glücklicherweise hat Rafael immer ein gutes Verhältnis zu seiner Familie und seinen Freunden, kann deshalb problemlos zurück ins Elternhaus ziehen und sucht gemeinsam mit seinen Eltern eine Lösung: Psychiatrische Behandlung oder stationär in eine Klinik.
Man konnte mir in der Klinik zwar nicht helfen, aber ich habe zur Ruhe gefunden.
In Zweiteres lässt sich Rafael damals einweisen, verbringt zwei Monate in einer Klinik. «Man konnte mir dort zwar nicht helfen, aber ich habe zur Ruhe gefunden», erzählt er. Nach sechs Wochen Wartezeit besucht er drei weitere Monate eine Tagesklinik.
Zeitgleich zieht er zurück in seine alte Wohngemeinschaft, aber nicht lange. Nach ein paar gefühlten Wochen und einem Zwischenstopp bei den Eltern, findet er Ende Mai 2021 eine Einzimmerwohnung für sich selbst.
Auf dem Weg zur Besserung
Der Anfang dort fällt Rafael schwer, am neuen Ort fühlt er sich nicht 100 prozentig wohl. Er merkt aber: Er muss kleine Dinge, die ihm das Leben schwer machen, eliminieren. So hört er auf, Cannabis und Alkohol zu konsumieren, ersetzt Zigaretten durch Snus.
Auch heute beschäftigt sich Rafael 24/7 mit seiner psychischen Gesundheit, wie er erzählt. Mit einer tollen Beraterin des RAV ist er auf Jobsuche, einmal in der Woche hat er einen Termin bei seinem Psychiater.
Seid so, wie ihr seid!
Er weiss jetzt auch, dass viel mit einem selbst zu tun hat: «Respektiert euch selbst und sagt euch auch: So kann's nicht weitergehen!, wenn's euch nicht gut geht», appelliert er und ergänzt: «Seid so, wie ihr seid! Ihr werdet immer Leute finden, die euch fühlen und solche, die euch hassen!» Hauptsache sei, dass man ehrlich zu sich selber sei.