Aufwachsen mit einem alkoholkranken Vater
Als ältestes von vier Kindern wuchs Ruben mit einem Vater auf, der starker Alkoholiker war. Das Aufwachsen im Haus eines Suchtkranken war mit vielen verstörenden Erlebnissen verbunden.
Einmal stellte mein Vater einfach meine Mutter vor die Tür. Als ich zurück in mein Zimmer wollte, sah ich, dass mein Vater alles restlos ausgeräumt hatte, meine Spielsachen, mein Radio, alles. Dann fand ich das ganze Zeug draussen im Müll. Für mich als 11-Jähriger war das eine tiefgreifende Erfahrung.
Nach der Scheidung lebte Rubens Vater immer zurückgezogener. Eines Tages stürzte er im Vollsuff und erlitt einen Schädelbasisbruch. Heute ist Rubens Vater dement und in einem Heim. Ob sich Ruben Vorwürfe macht? «Ich könnte ihn eigentlich besuchen. Aber dieser Mensch hat so viel zerstört in meinem Leben. Ich kann einfach nicht.»
Nach der Scheidung der Eltern waren Ruben und seine Geschwister jedes zweite Wochenende beim Vater. Der hatte damals eine ebenfalls alkoholkranke Freundin. «Wenn die stritten, wurde es unheimlich laut und chaotisch.» Nach der zehnten Klasse kam Ruben in ein Heim im Emmental. Dort gab es viele Regeln, jedoch lernte man auch, wie man einen Haushalt richtig führt.
Wie Ruben selbst dem Alkohol verfiel
Zu einem späteren Zeitpunkt zog Ruben nach Zürich. Dort begann seine Drogenphase, in welcher er ununterbrochen in Zürcher Clubs feierte. Die einzige Stabilität gab ihm damals seine Freundin. Als diese Liebe zerbrach, war alles verloren. «Nach der Trennung fiel ich komplett in die Sümpfe und begann zu trinken.»
Alkoholkonsum in den eigenen 4 Wänden
Ruben zählte jeden Morgen seine Münzen. Er rechnete ganz genau, wieviel Bier er sich pro Tag leisten konnte. Nachdem er seine übliche Ration gekauft hatte, ging er heim und trank alles aus. Dasselbe geschah am nächsten Tag. Und am nächsten. Und am nächsten. Er hat sich sowohl von seinem sozialen Umfeld isoliert, als auch seinen Job verloren.
Irgendwann wachte Ruben auf, ihm wurde seine Sucht bewusst. Er wollte nicht so werden, wie sein Vater. Zudem war er pleite und merkte, dass das Leben so nicht lebenswert ist.
Zum Glück wird ein Alkoholentzug von der Krankenkasse finanziert, sonst wüsste ich nicht, wo ich jetzt wäre.
Entzug und stationäre Behandlung
Eines Tages ging er zur Entzugsstelle. Dort wurde sein Alkoholpegel gemessen, bei Ruben lag dieser damals bei über 3 Promille. Der Alkoholspiegel wurde im Entzug langsam und medikamentös gesenkt. Denn einfach auf 0 zu gehen ist gefährlich. Nach dem Entzug erhielt Ruben zusätzlich stationäre psychologische Hilfe und nahm gleichzeitig immer noch seine Medikamente. Diese nimmt er auch heute noch. «Ich denke nicht, dass ich die Medikamente mal absetzen werde.»
Ruben sieht in allem Erlebten keinen tieferen Sinn
Er weiss jedoch, dass ihn der Alkohol (resp. die Sucht von sich und seinem Vater) mehr geprägt hat als alles andere. Die Abhängigkeit hat ihn zu dem Menschen gemacht, der er heute ist. Ruben ist durch all diese Erfahrungen gereift, bleibt jedoch stets rückfallgefährdet.
Wie geht es Ruben heute?
Seit einer Weile hat Ruben jetzt nichts mehr getrunken. Nun geht es darum, wieder ins Arbeitsleben einzusteigen. Zurzeit befindet er sich gerade auf Jobsuche. Die Reaktionen auf Rubens Mut das Schweigen zu brechen waren durchwegs positiv. Viele aus Rubens eigener Familie haben sich gemeldet. Menschen, von denen er nicht dachte, dass sie ein ähnliches Problem hätten. Alle sind stolz auf ihn und seinen Mut, öffentlich über seine Sucht zu sprechen.