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Rehmann «Es dauerte 33 Jahre, bis ich die richtige Diagnose bekam»

Jahrelang wusste Rebekka nicht, was mit ihr los ist und machte unzählige, erfolglose Therapien durch, besuchte zahlreiche Ärzte. Im Gespräch mit Robin Rehmann erzählt sie, wie sie mit den Beschwerden umging und doch noch die richtige Diagnose fand.

Wenn wir körperliche Beschwerden haben, gehen wir zum Arzt und wissen danach meistens, was mit uns los ist. Bei Rebekka war das nicht der Fall: Es dauerte 33 Jahre bis sie die richtige Diagnose bekam. Sie leidet an Lichen sclerosus, einer Erkrankung des äusseren Genitalbereichs. Die Hauptsymptome sind Jucken und Brennen im Intimbereich und es können auch gehäuft Blasenentzündungen auftreten. Es handelt sich dabei um eine Autoimmunkrankheit, die vorwiegend bei Frauen auftritt. Jedoch können auch Männer und Kinder davon betroffen sein. «Mir ist es wichtig, die Personen, die diese Symptome haben, über Lichen sclerosus aufzuklären», bemerkt die 35-Jährige.

Jede 50. Frau leidet unter diesen Symptomen.

Schambehaftete Krankheit

Die ersten Symptome treten bei Rebekka bereits im Alter von zweieinhalb Jahren auf. Deswegen muss sie sich ständig im Intimbereich kratzen und beschwert sich über Schmerzen. «Ich bin in einer Grossfamilie aufgewachsen. Dort hatte Wehleidigsein nicht viel Platz», antwortet Rebekka auf die Frage, wieso die Krankheit bei ihr nicht früher erkannt wurde. «Zudem ist die Krankheit sehr mit Scham behaftet, auch bei den Ärzten.»

Zuhause und bei Ärzten wurde nicht genau hingeschaut.

Die erste Anlaufstelle ist ihr Hausarzt. In der ersten Klasse sagt er, dass sie sich nicht kratzen dürfe. «Es ist sehr schwierig sich nicht zu kratzen, wenn es unglaublich stark juckt», sagt Rebekka. «Nach der erfolglosen Therapie des Hausarztes meinte er: Man solle mir in der Nacht Handschuhe anziehen, damit ich mich nicht mehr kratze und wenn das nichts bringt, müsste man dann halt die Hände ans Bett fesseln», erinnert sich die 35-Jährige.

Die Lange erfolglose Suche nach Hilfe

Lichen sclerosus kann bei hormoneller Veränderung besser oder schlechter werden. Bei Rebekka ist letzteres in der Pubertät der Fall. Sie hatte einen Dauerjuckreiz. Tagsüber kann sie den Juckreiz gut verdrängen, da sie viel Ablenkung hat. Nachts ist es aber für das damals junge Mädchen unmöglich, sich nicht zu kratzen. «Wenn ich mal gekratzt habe, tat das unglaublich weh und ich hatte dann Schmerzen beim Laufen, Sportmachen und beim Schwitzen», berichtet die Lichen-Erkrankte. Im Teenageralter geht sie von Arzt zu Arzt, aber keiner hat die richtige Antwort. Die Krankheit wird nämlich oft mit Pilz oder Herpes verwechselt. Aus diesem Grund versucht man, sie anders zu behandeln.

Ich bin mir vorgekommen wie eine Ausserirdische.

Rebekka versucht alles Mögliche – von Kinesiologie zu Homöopathie bis zu Hypnose. Allerdings ohne Erfolg. In der 3. Oberstufe fängt sie an, sich damit abzufinden. «Es war für mich schlimmer, immer wieder neue Hoffnungen zu schöpfen als einfach zu denken: Jetzt ist es einfach so», argumentiert die 35-Jährige.

Die Hoffnung stirbt zuletzt

Jedoch etwa 20 Jahre später, als Rebekka eine stressige Phase im Leben durchmacht, wird es wieder schlimmer und die Symptome rauben ihr den Schlaf. Das ist typisch bei Autoimmunerkrankungen. Vermehrter Stress und schlechte Ernährung können die Beschwerden verstärken. Ihre Schwester recherchiert daraufhin und schickt ihr den Link vom Verein «Lichen sclerosus». Zu diesem Zeitpunkt erfährt Rebekka das erste Mal von dieser Krankheit und schöpft wieder Hoffnung. Auf der Seite findet sie eine wertvolle Liste mit Ärzten, die diese Diagnose kennen. Eine von diesen Ärztinnen diagnostiziert sie und gibt ihr endlich die richtige Behandlung. Sie bekommt eine hochdosierte Cortison Salbe.

Als ich die Salbe auftrug, juckte es mich das erste Mal für mehrere Stunden nicht mehr.

«Es ist zwar nur eine kurzfristige Lösung für starke Schübe, jedoch sehr hilfreich», erklärt Rebekka. Weiter sei eine gute Intimpflege wichtig, um Trockenheit zu vermeiden. Es gibt auch schon Lasermethoden, aber die sind noch nicht lange erforscht.

Jeder Fall ist individuell und verschieden stark betroffen. Die Krankheit schränkt ein und es ist unangenehm darüber zu reden. Es besteht keine Ansteckungsgefahr, jedoch kann es schmerzhaft sein und man sollte seinen Partner aufklären. «Wenn mein Partner oder meine Partnerin mich wirklich gern hat, wird sie das verstehen. Es ist eine wichtige Grundlage, um die Sexualität so auszuleben, dass es für beide schön ist», möchte Rebekka den Betroffenen auf den Weg geben.

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