Es ist wahr: vergangenen Sonntagabend flimmerten tatsächlich neue Folgen von «Twin Peaks» über die Fernsehbildschirme. Endlich haben wir die endgültige Bestätigung: Ja, diese neuen «Twin Peaks»-Episoden, von denen 2014 erstmals die Rede war, existieren tatsächlich.
Endlich findet die Mysteryserie, die Anfang der 90er-Jahre mit dem Mordfall um Cheerleaderin Laura Palmer ein neues Zeitalter von TV-Serien einläutete, ihre lang erwartete Fortsetzung.
Zur neuen Staffel gab es im Vorfeld weder Trailer noch irgendwelche Anhaltspunkte auf den Inhalt. Erst jetzt, nachdem wir die ersten vier Episoden mit unseren eigenen Augen gesehen haben, können wir eine erste vorsichtige Zwischenbilanz ziehen – und ein paar dringende Fragen beantworten:
Wie viel vom alten «Twin Peaks» steckt in den neuen Episoden?
Viel, aber gleichzeitig auch nicht. Zwar besuchen wir in den ersten vier Episoden des Revivals ein paar etablierte Orte und begegnen zahlreichen alten Figuren – Sherrif Hank, Shelly, FBI-Agent Gordon Cole und sogar die «Log Lady», fast alle sind sie wieder da! –, gleichzeitig expandiert die Welt der Serie aber auch.
Viele neue rätselhafte Orte stehen im Zentrum der neuen Staffel. Zum ersten Mal in der Geschichte der Serie verlassen wir den Nordwesten der USA und besuchen u.a. ein Casino in South Dakota oder ein äusserst mysteriöses Apartment in New York.
Wie präsent muss ich die alten Folgen haben?
Hier wird es tricky. Komplettisten und solche, die gerne mal das Bild anhalten, damit ihnen kein Anhaltspunkt entgehen kann, empfehlen wir ein Rewatch der beiden Originalstaffeln, sowie vom Spielfilm «Twin Peaks: Fire Walk With Me», der 1992 nach dem Ende der Serie abgedreht wurde.
Sogar das Buch «The Secret History of Twin Peaks», welches Serien-Co-Autor Mark Frost letztes Jahr veröffentlicht hat, soll anscheinend nötige Lücken zwischen den früheren Episoden und der neuen Staffel füllen.
Aber ganz ehrlich: Eigentlich entspricht das weder dem Geist der Serie, noch dem Œuvre von Regisseur David Lynch. Bei «Twin Peaks» geht es weniger um den Inhalt, sondern mehr um die absolut einzigartige Atmosphäre. Letztere versteht man auch dann, wenn man sich an die alten Folgen nur noch vage erinnern kann – oder sie vielleicht sogar gar nie gesehen hat.
Wie macht sich Regisseur David Lynch nach dieser langen Pause?
Nachdem sich Kultregisseur Lynch nach der ersten Hälfte der zweiten Staffel von der Serie zurückgezogen hatte, nahm die Qualität der Serie merklich ab.
Erst als Lynch für das damalige Serienfinale wieder hinter die Kamera zurückkehrte, fand die Serie ein würdiges – wenn auch äusserst offenes – Ende.
Seit «Twin Peaks» wurde der Output von Lynch nur noch weirder. Die Sorge, dass der Regisseur den Tonfall der Originalserie nach einer dermassen langen Pause verpassen würde, war also durchaus berechtigt.
Wir können jedoch Entwarnung geben: Lynch zeigt vom ersten Frame an, dass er in der Zwischenzeit absolut nichts verlernt hat.
Der mittlerweile 71-jährige ist nach wie vor ein absoluter Meister des Grauens und des subtilen Horrors. Oder wer sonst kann lange Korridore und leere Räume so bedrohlich wirken lassen, wie Lynch?
Also: lohnt es sich?
Und wie! Wer die surrealen und experimentellen Teile der Originalserie mochte, wird die neue Staffel lieben. Wer allerdings eine Geschichte möchte, die auf direktem Weg von A nach B geht, ist hier fehl am Platz.
Bei «Twin Peaks» muss man geniessen, sich gehen lassen, und sich damit abfinden, dass nicht alles auf den ersten Blick Sinn ergeben wird. Auch 26 Jahre später gibt es weiterhin keine Serie, die auch nur annähernd mit «Twin Peaks» vergleichbar ist. «Twin Peaks: The Return» ist 100% David Lynch, pur und ungefiltert – Danke dafür!
Und die Musik?
Angelo Badalamenti, der schon beim Original für die zauberhafte Musik verantwortlich war, kümmert sich auch im Revival wieder um den Soundtrack – seine Synthieklänge kommen bislang aber wenig zur Geltung.
Dafür hat die US-Band Chromatics einen wunderbaren Auftritt am Ende der zweiten Episode. Ihr Track «Shadow» passt hervorragend zur Stimmung der Serie: