Die Parallelen zur echten Welt sind natürlich nicht von der Hand zu weisen. Ja, die Familie Roy rund um Patriarch Logan und dessen Medienimperium «Waystar RoyCo» ist selbstverständlich der Murdoch-Familie nachempfunden.
Und wenn sich der in die Jahre gekommene Logan Roy (Brian Cox) ganz zu Beginn dieser Serie Gedanken darüber macht, welches seiner vier erwachsenen Kinder die Nachfolge – Succession, ha! – seines Unternehmens antreten soll, ist auch das eine Geschichte, welche das richtige Leben gerade schreibt. Schliesslich hat auch Medienmogul Rupert Murdoch reichlich Nachwuchs und müsste sich mit seinen mittlerweile 90 Jahren langsam aber sicher entscheiden, wer denn einst sein Imperium fortführen soll.
Die Ausgangslage der Erfolgsserie «Succession» wäre also schnell erklärt: Alle wollen auf den «Waystar RoyCo»-Chefsessel. Und der, der momentan dort sitzt, möchte diesen eigentlich gar nicht hergeben. Let the games begin!
Doch Geschichten rund um superreiche Familien, die innerhalb des eigenen Stammbaums ständig Machtkämpfe austragen, damit ihr Reichtum noch ein bisschen mehr anschwillt, sind so alt wie das Medium Fernsehen selbst. «Dallas», «Der Denver-Clan», «Billions»: Die Liste von Serien mit einer ähnlichen Prämisse liesse sich beliebig weiterführen.
Es muss also noch ein bisschen mehr hinter «Succession» stecken. Schliesslich erhält man den Serien-Oscar («Emmy») für die beste Dramaserie nicht einfach so. Wir haben uns auf die Suche nach dem «besonderen Etwas» gemacht:
1. Das Intro und der Introsong
Eigentlich ist es eine ziemlich einfache Regel: Eine richtig gute Serie braucht auch ein richtig gutes Intro. Fünf Sekunden «The Sopranos» und sofort singen wir mit. «Friends»? *klatsch**klatsch**klatsch* «Game of Thrones»? Tö-tö-törötö-tö...
Doch eingängige Melodien wie jene von «Game of Thrones» sind in den letzten Jahren zur Seltenheit geworden. Aus diversen Gründen verzichten Serien immer häufiger auf ein langes Intro, ersetzen dieses stattdessen mit einer kurzen Melodie, die vorbei ist, ehe sie angefangen hat. Oder wie oft habt ihr in der Warteschlange an der Supermarktkasse schon das «Breaking Bad»-Intro leise vor euch hergesungen? Eben.
Nicht so «Succession». Das 90-sekündige Intro mit einem von Nicholas Britell komponierten Theme-Song, ist dermassen episch, dass sogar Rap-Star Pusha T einen offiziellen Hip-Hop-Remix des Intros angefertigt hat.
2. Dialoge plus Humor multipliziert mit «Holy Shit»-Momenten
Hinter «Succession» steckt Serienautor Jesse Armstrong, der auch schon Autor der britischen Comedyserie «Peep Show» war. Und wie schon bei «Peep Show», sind auch bei «Succession» der pechschwarze Humor, die kreativen Beleidigungen und die fantastischen Wortspiele die heimlichen Stars der Show.
Gut möglich sogar, dass die blitzgescheiten Dialoge und die «Habe ich das jetzt wirklich verstanden? Hat sie:er das tatsächlich SO gesagt?»-Momente die Serie sogar als Hörspiel funktionieren lassen würden. Trotzdem ginge so natürlich einiges verloren.
So findet man Kendall Roys Rap, den er «zu Ehren» (?!?!?) des 50. Dienstjubiläums seines Vater performt, mittlerweile auch auf Spotify, aber halt ohne die betretenen «WTF?»-Gesichtsausdrücke aller Zuschauenden. («It's burning my eyes, but I cannot look away!»)
3. Jede:r hintergeht jede:n
«Succession» ist ein fortlaufendes Schachspiel mehrerer Grossmeister:innen. Doch das finale Ziel, die Unternehmensleitung von «Waystar RoyCo», kommt nur in realistische Reichweite, wenn man auf dem Weg dorthin die eine oder andere Zusammenarbeit eingeht – nur um seine:n Partner:in im nächsten Augenblick wieder in den Rücken zu fallen.
Auch das ist eigentlich nichts Neues. Doch «Succession» hat diese permanenten Rochaden derart gut im Griff, dass selbst die:der erfahrenste Serienzuschauer:in nicht einschätzen kann, wo jetzt ein Fünkchen echter Familienzusammenhalt mitspielt, und wo das nächste Täuschungsmanöver dahintersteckt.
«Succession» lebt davon, dass sein fantastisches Ensemble in dauernd wechselnden Allianzen ständig überraschende Wendungen präsentiert, die zum Teil mehrmals innerhalb der gleichen Episode den Status Quo der Serie auf den Kopf stellen.
Und immer dann, wenn man meint, dass jemand endgültig Schachmatt gesetzt wurde... stellt sich heraus, dass wir eigentlich die längste Zeit Uno gespielt haben. Und alles beginnt wieder von vorne.
4. Das Sahnehäubchen: die Gaststars
Brian Cox, Kieran Culkin, Matthew Macfadyen, Jeremy Strong, Sarah Snook: Schauspieler:innen, die uns in anderen Filmen und Serien immer mal wieder begegnen. Trotzdem sind es nicht die grossen Hollywood-Stars, welche hier zu Höchstform auflaufen.
Und falls es dann doch eine zusätzliche Prise Salz braucht, weiss sich die Serie ebenfalls zu helfen – mit neuen, klingenden Namen, die für Gastauftritte aus dem Hut gezaubert werden. Wer es bis zur zweiten Staffel schafft, kommt dort beispielsweise in den Genuss von Oscar-Gewinnerin Holly Hunter.
Und für die soeben gestartete dritte Staffel dürfen wir uns auf Adrien Brody und Alexander Skarsgård freuen. Langweilig wird es also garantiert nicht.