Jimmy Iovine und Andre «Dr. Dre» Young sind zwei der prägendsten Popmusik-Figuren der letzten 30 Jahre.
Die beiden machen Nobodys wie Eminem, Lady Gaga oder 50 Cent zu Weltstars. Und als die Musikindustrie Mitte der 00er-Jahre in die Krise rutscht, zeigen Iovine und «Dre» erneut ihr Näschen für die richtigen Entscheidungen: Sie kehren dem schwindenden Tonträgermarkt den Rücken zu und gründen ihre Kopfhörermarke «Beats».
Ein äusserst geschickter Schachzug, wie sich spätestens am 28. Mai 2014 herausstellen sollte. An diesem Tag übernimmt Apple «Beats» für rund 3 Milliarden US-Dollar. Ein Grossteil dieser Summe landet in den Taschen der beiden Firmengründer.
Mit der neuen Netflix-Dokumentarserie «The Defiant Ones» erscheint dieser Tage ein filmisches Denkmal der beiden Musikindustrie-Titanen. Die Serie wurde vom Sender HBO produziert und in den USA bereits letztes Jahr ausgestrahlt.
Zwischen Bruce Springsteen und Gangsta-Rap
Die ersten paar Kapitel dieser beiden Biographien könnten unterschiedlicher nicht sein: Auf der einen Seite Jimmy Iovine, ein Sohn italienischer Einwanderer, der im New York der 70er und 80er-Jahre als Musikproduzent von John Lennon, Bruce Springsteen, Tom Petty und U2 agiert.
Auf der anderen Seite Dr. Dre, der in ärmlichen Verhältnissen in Compton, einem Vorort vom Los Angeles, aufwächst und Ende der 80er-Jahre als Mastermind der Rapgruppe N.W.A. Gangsta-Rap massentauglich macht.
1989 gründet Iovine «Interscope Records», das sich in den 90er-Jahren zu einem der erfolgreichsten Musiklabels der Welt mausern sollte. 1992 übernimmt Iovine «Death Row Records», das Label von Dr. Dre, und stellt damit die Weichen für den weltweiten Siegeszug von Hip-Hop – und den Beginn einer erfolgreichen Partnerschaft.
Höhepunkt der rund vierstündigen Dokuserie ist die dritte Episode. Dort wird gezeigt, wie Iovine in den 90er-Jahren Acts wie Marilyn Manson und die Nine Inch Nails aufbaut und damit von Kontroverse zu Kontroverse rutscht.
Gleichzeitig konzentriert sich Dr. Dre auf die Karrieren seiner beiden Schützlinge 2Pac und Snoop Dogg und manövriert sich so ins Epizentrum des berüchtigten Streits der beiden amerikanischen Rap-Küsten.
Das starke Archivmaterial, mit welchem die Serie auftrumpfen kann, kommt in dieser Folge erst recht zur Geltung. Wir sehen rare Studioaufnahmen von Bruce Springsteen, N.W.A. oder Snoop Dogg – eine wahre Augenweide. Dazu kommen zahlreiche Weggefährten wie Ice Cube, Bono, Eminem, Tom Petty oder Stevie Nicks in Interviews zu Wort.
Das Unangenehme wird unter den Teppich gekehrt
Ab und zu wünscht man sich von der Serie aber ein bisschen weniger Selbstbeweihräucherung und einen kritischeren Blick auf die negativen Momente der beiden Karrieren. Es ist ein durchwegs positives Bild, das «The Defiant Ones» von seinen Protagonisten zeichnen möchte, die unangenehmen Aspekte der beiden Biographien werden auffällig oft unter den Teppich gekehrt.
Aber «The Defiant Ones» ist trotzdem sehr zu empfehlen. Denn Iovine und «Dre» hatten ihre Finger bei vielem im Spiel, das während den letzten 30 Jahren irgendwann populär wurde. «The Defiant Ones» ist mehr als eine sehenswerte Hip-Hop-Doku: Sie ist ein äusserst interessanter Einblick in die letzten dreissig Jahre Populärkultur.
Alle vier Episoden von «The Defiant Ones» sind ab sofort auf Netflix verfügbar.