Im letzten Augenblick wurde doch noch alles anders: Weniger als 24 Stunden vor der Veröffentlichung änderte Rap-Superstar Drake den Titel seines neuen Albums. Aus «Views From The 6» wurde kurzerhand «Views». So etwas geht halt nur im Zeitalter der CD-losen Musikveröffentlichung.
«Six» ist Drakes persönlicher Spitzname für seine Heimatstadt Toronto. Mit den grossen Worten «I turn the six upside down, it's a nine now», kündigt Drake auf dem zweiten Track des Albums («9») dann auch gleich an, mit seinem vierten Studioalbum alles auf den Kopf stellen zu wollen. Leider gelingt ihm das auf «Views» nur teilweise.
81 Minuten - und trotzdem mangelt es an Experimenten
«Views» umfasst 20 Tracks und ist 81 Minuten lang. 81 Minuten. Uff. Kein Album sollte 81 Minuten lang sein.
«I can't sleep these days / unless I take one», «Life is always on / I never get a break from it»: Drake zeigt sich in seinen Tracks gerne verletzlich und intim. Beim gefühlt zehnten nachdenklichen, selbstreflektiven Emo-Rap-Track stellt sich dann aber irgendwann das «Huh, habe ich diesen Song nicht schon gehört?»-Gefühl ein.
Sowieso: Musikalisch ist Drake auf «Views» all zu oft in zu sicheren Gefilden unterwegs. Der Löwenanteil des Albums wurde einmal mehr von seinem Homie Noah «40» Shebib produziert. Während sich vergleichbare Künstler wie Beyoncé oder Kanye West bei jedem neuen Album Inspiration ausserhalb des Tellerrands suchen, wagt Drake auf diesem Album enttäuschend wenig Experimente.
Die Überhits fehlen
Den einen oder anderen Lichtblick gibt es aber schon: «One Dance» ist eine coole, House- und Afrobeat-inspirierte Nummer, «Controlla» ist ein gelungener Dancehall-Ausflug und beim Future-unterstützten «Grammys» stellt sich dann doch noch gepflegtes Kopfnicken ein.
Einen richtigen Überhit sucht man jedoch vergebens. Vielleicht ist das ja auch der Grund, warum der letztjährige Superhit «Hotline Bling» etwas unsanft als «Bonus Track» ans Ende des Albums angeheftet wurde.
Ein weiterer Nachteil bei ewig langen Rap-Alben: Zu viel textlicher Nonsens auf dem Album. «Got so many chains / they call me Chaining Tatum», rappt Drizzy auf «Pop Style». Schon jetzt das schlechteste Wortspiel des Jahres?
Eine versteckte Rücktrittsankündigung?
Diesen Oktober wird Drake 30 Jahre alt. Zeit also, sich erste Gedanken über den Ruhestand zu machen: «The most successful rapper 35 and under / That's when I plan to retire, man it's already funded», prahlt er in «Weston Road Flows».
Hoffen wir also, dass uns Drake in den nächsten fünf Jahren noch bessere Alben als «Views» abliefern wird.