Am Tag räumt Tristan als Visual Merchandiser Kleiderabteilungen um, abends verwandelt er sich immer wieder in Ennia Face – sein flamboyantes Drag-Alias. So auch am Tag, an dem uns Tristan einen Einblick in sein Leben als Dragqueen gibt, denn: Ennia hat einen Bühnenauftritt mit Gesang vor sich. «Ich bin so nervös als müsste ich eine Präsidentschaftsrede halten», scherzt Tristan.
Die Verwandlung dauert drei Stunden.
Bisher wurde er als Ennia vor allem als Host oder Greeter gebucht – auch wenn der ein oder andere Ennia gerne an seiner Geburiparty oder ähnlichem dabei gehabt hätte: «Dafür ist das Readymachen dann doch zu aufwändig.» Und wow, wie aufwändig das ist, bis Tristan ganz in Ennia verwandelt ist, können wir selbst kaum glauben. «Drei Stunden dauert das alles in allem schon.» Schliesslich muss sich der 37-Jährige schminken, stylen und vor allem: seinen Körper weiblicher machen.
Der ‹Gügü› wird heruntergeklebt, die Hüfte wird grösser gemacht, die Taille eingebunden und die Brüste werden montiert.
So packt Tristan seinen Körper bei jeder Verwandlung ein. Dieser Zwiebellook hat aber auch seine Nachteile: «Manchmal gehe ich zwölf Stunden lang nicht aufs Klo.»
Zwei Erscheinungen, ein Mensch
Doch nur, weil Tristan als Ennia Face komplett anders aussieht, heisst das nicht, dass er zu einem anderen Menschen wird: «Tristan und Ennia unterscheiden sich äusserlich sehr fest, innerlich aber herzlich wenig», erklärt Tristan: «Wer Tristan mag, mag auch Ennia.» So auch sein Partner Peter, mit dem er bereits das 19. Jahr verbringt: «Peter ist meine grösste Unterstützung» und dieser fügt an: «Was der andere macht, muss unterstützt werden.»
Da wundert's uns nicht, dass Tristan das Gästezimmer in der gemeinsamen Wohnung zum Ennia-Zimmer umfunktioniert hat. Zu finden gibt es dort so einiges: von lustigen Rucksäcken über knallige Kleider bis hin zu fancy Perücken – ein Drag-Paradies!
Drag als Selbstlehre
Aber auch wenn es heute für Tristan ganz normal ist, zu Ennia Face zu werden, weiss er, dass es für Dragqueens nicht immer einfach ist: «Wir haben im Moment ein Hoch. Das müssen wir feiern, denn wer weiss, wie lange das noch anhält.» Er habe das Gefühl, das werde nicht immer so sein und es gäbe immer noch Leute, die Drag nicht toll finden.
Doch solange diese Welle noch anhält, muss man sie reiten, findet Tristan. Schliesslich ist Drag für ihn etwas ganz Spezielles: «Man kann so viel daraus machen. Es ist lustig, es macht Spass – es ist einfach pure Lebensfreude.» Als Dragqueen gibt es nämlich keine Barrieren und man könne machen, was man wolle, wenn man im Fummel stecke: «Du lernst auch wirklich viel über dich selbst. Auch wenn du dich in jemand komplett anderes verwandelst, kommst du dir selbst näher.»
Man kann so viel aus Drag machen. Es ist lustig, es macht Spass – es ist einfach pure Lebensfreude.
Und damit auch noch andere zu begeistern, ist für Tristan das absolut Schönste, wie er nach den vielen positiven Reaktionen nach seinem Auftritt erzählt: «Wenn die Leute auf mich zukommen und mich mit ihren Komplimenten und ihrer Wärme überschütten, weiss ich, dass sich der grosse Aufwand gelohnt hat.»
Ennia Face bei «True Talk»
Bei «True Talk» stellte sich Tristan mit seinem Alter Ego jensten Vorurteilen gegenüber Dragqueens: Haben sie mehr Frauenkleider als Frauen? Werden sie oft beleidigt? Und schminken sie sich zu fest?