360 Stunden – so viel Zeit investierte Silja in ihr letztes Cosplay-Kostüm, in dem sie die Videogame-Figur Divine Dragon Bellona (aus dem Game «Smite») verkörpert. Und das kann sich mit den eingebauten LEDs, der sorgfältig bemalten Rüstung und den vielen Details definitiv sehen lassen. Ganz zufrieden ist die 25-Jährige aber trotzdem nicht: «Es fehlen die Schuhe, das Headpiece und das Schwert...»
Die Rüstung als Schub fürs Selbstbewusstsein
Die Besucher der Buchmesse Leipzig, wo Silja ihr neustes Kostüm präsentiert, stört diese Unvollständigkeit aber nicht im Geringsten. Immer wieder wird die Cosplayerin nach Fotos gefragt und erhält Komplimente für ihr Schaffen. «Das bedeutet mir wahnsinnig viel, denn es bedeutet, dass die Leute mein Cosplay cool finden. Das tut gut!», schwärmt sie.
Nach Fotos gefragt zu werden bedeutet mir wahnsinnig viel. Das zeigt, dass die Leute mein Cosplay cool finden!
Die Figuren, die Silja verkörpert, bereiten ihr nicht nur äusserlich Freude. Trägt sie ihr Cosplay, steigert sich sofort ihr Selbstvertrauen: «Ich werde zur besten Version von mir selbst.» In ihrer Rüstung falle es ihr viel leichter, auf andere zuzugehen und Leute anzusprechen. «Ich wurde lange gemobbt, weil ich anders war.» Im Cosplay sei das anders: «Da gehöre ich voll dazu!»
Ich wurde lange gemobbt, weil ich anders war. Im Cosplay hingegen gehöre ich voll dazu.
Handarbeit im hauseigenen Atelier
Und das Cosplay gehört mittlerweile auch voll zu Silja. In der Wohnung, die sie mit ihrer Mutter bewohnt, hat sie ein ganzes Zimmer dafür, ihr Atelier. Dort entstand auch ihr Divine Dragon Bellona-Kostüm in akribischer Handarbeit und nach Ablaufplan, den sie sich so detailliert wie möglich aufschreibt, um auch ja nichts zu vergessen.
«Wenn möglich mache ich alles von A bis Z selber. Also Recherche, Materialien, Techniken bis hin zur Darstellung des Charakters.» Doch das läuft nicht immer wie am Schnürchen – vor allem, wenn man zu hundert Prozent der Referenz entsprechen will. «Klar muss ich ein paar Dinge skalieren, weil ich nicht denselben Körper habe wie sie, aber es sollte doch irgendwie übereinstimmen.»
Wenn möglich mache ich alles an meinen Cosplays von A bis Z selber.
Nicht nur das Design, auch die richtige Verkörperung eines Charakters zählt für Silja. «Ich habe schon immer gerne Theater gespielt und Sachen gestaltet. Mit Cosplay anzufangen war deshalb ziemlich naheliegend.» Schliesslich vereint diese Leidenschaft, wie es der Name schon sagt, Costume (dt. Kostüm) und Play (dt. spielen). «Erstmals in meinem Leben bin ich gut in etwas und bekomme Anerkennung dafür.»
Silja bei «True Talk»
Die Cosplayerin zeigt uns nicht nur ihren Alltag, sondern räumt auch mit Vorurteilen gegenüber Leidenschaft auf: Ist Cosplay im Grunde nicht einfach wie Fasnacht? Und wollen Cosplayerinnen wirklich einfach nur ihren Körper zur Schau stellen?