Schon früh merkt Suad, dass er im falschen Körper geboren ist. Immer wieder wird er gefragt: «Bist du ein Mädchen oder ein Junge?» In der Schule werden ihm Begriffe wie «Zwitter» nachgerufen. Erst in der Pubertät wird ihm seine Transidentität aber richtig bewusst – nämlich dann, als ihm Brüste wachsen und er das erste Mal die Menstruation kriegt. «Es war etwas Fremdes an mir. Ich habe mich wie ein Ausserirdischer gefühlt.»
Mit 15 outet er sich als lesbisch – schliesslich sei er ja in einem Frauenkörper geboren, dann müsse er also homosexuell sein, erzählt er. So führt Suad jahrelang ein Doppelleben und belügt seine Eltern. Diese schicken ihn zum Psychologen, weil sie denken, Homosexualität müsse therapiert werden.
Bewusstsein der Transidentität
Ich hatte suizidale Gedanken und depressive Episoden und Phasen, in denen ich mich mit Drogenkonsum wegkatapultiert habe, bis ich nichts mehr gespürt habe.
Als er erwachsen wird, wird es für Suad nicht einfacher: Zwar sagt er sich damals das erste Mal bewusst, dass er im falschen Körper ist, fühlt sich aber so verloren, dass er alles verdrängt. «Ich hatte suizidale Gedanken und depressive Episoden und Phasen, in denen ich mich mit Drogenkonsum wegkatapultiert habe, bis ich nichts mehr gespürt habe. Meine Gefühle waren so belastend», erzählt er. Er habe dann zwei Jahre lang nur noch funktioniert, nur noch gearbeitet und Fussball gespielt – nichts anderes.
Als bei ihm Alopezie, also Haarausfall, diagnostiziert wird, verändert sich jedoch etwas: «Meine Tante schlug vor, dass wir mit der Maschine alles abrasieren.» Als er danach in den Spiegel geschaut habe, sei irgendetwas anders gewesen. «Das war für mich wie ein Wink des Schicksals», erinnert sich Suad. «Ich weiss noch, wie ich danach im Gang gesessen habe und nicht mehr aufgehört habe zu weinen, weil ich all die Jahre im falschen Körper gelebt habe.»
Kein einfaches Coming-out
Sein Coming-out als trans Mann erlebt Suad eine Weile später mit 26. Einfach ist es aber für ihn nicht: «Obwohl ich das erste Mal wieder richtig atmen konnte, war die Last auf mir so schwer und ich hatte so viele Dinge im Kopf.» Er beginnt sich zu fragen, was sein Umfeld darüber denken wird und wie er das Ganze überhaupt kommunizieren soll.
Meine Eltern haben quasi ihr erstgeborenes Kind verloren.
Er findet nämlich, gerade auf die Familie dürfe man nicht zu viel Druck ausüben und man sollte ihr Raum lassen. Denn: «Meine Eltern haben quasi ihr erstgeborenes Kind verloren.» Für ihn selbst seien jedoch eher die 26 Jahre zuvor ein Verlust gewesen, meint er. «Jetzt lebe ich! Es ist für mich wie eine Neugeburt.»
Die Transition
Die Personenstandänderung war wie ein Traum, der wahr wurde.
Im Februar dieses Jahres bekommt Suad dann seine erste Injektion mit Testosteron, die alle zwölf Wochen wiederholt wird. Zudem beantragt er beim Zivilgericht eine Personenstandänderung. «Es war nicht einfach, das alles aufzuschreiben, sich wildfremden Menschen offenbaren zu müssen und alle Emotionen nochmals zu durchleben.» Bereits knapp drei Wochen nach seinem Antrag kriegt Suad einen positiven Bescheid: «Es war wie ein Traum, der wahr wurde», freut er sich.
Ein weiterer Traum, den er sich erfüllen möchte: eine Brustentfernung. «Ohne abgebundene Brust aus dem Haus zu gehen, wäre ein krasses No-Go. Das bin nicht ich», meint er. Nach einer OP werde er auch neu wahrgenommen und sein Körpergefühl werde sich nochmals anders entwickeln.
Doch: Nur weil jemand trans ist, heisst das nicht, dass man sich unters Messer legt. «Es gibt trans Personen, die keine geschlechtsanpassenden Dinge machen und sich über ihre Pronomen definieren. Andere jedoch brauchen diese Anpassungen.» Zum Beispiel, weil ihre Körperdysphorie und ihr Leidensdruck so stark seien. «Transsein ist total individuell!»
Die Transition war das Beste in meinem Leben!
Ihn störe es zum Beispiel nicht, wenn er keinen Bart kriege und ein «Babyface» habe: «Es gibt genug Frauen, die darauf stehen», scherzt er. Und sowieso: Für Suad ist das Wichtigste, dass es ihm gut geht. Er erzählt, er könne endlich im Hier und Jetzt sein und habe Freude am Leben: «Die Transition war das Beste in meinem Leben!»