Die Sekte «Licht-Oase» und der allmächtige Guru
Die Mitglieder der Sekte «Licht-Oase» glaubten an die nahende Apokalypse, die Kommunikation mit dem Geistwesen «Ramtha» und an dessen Fähigkeit, die Mitglieder in Lichtwesen zu verwandeln um sie so vor dem drohenden Weltuntergang zu retten.
Er war Gott. Dementsprechend hatte er Anrecht auf unsere Gedanken, unsere Gefühle, und irgendwann auch auf unsere Körper
Vor allem aber glaubte die Gruppe an Guru Arno Wollensak. «Unser Guru war allmächtig», erzählt Katharina. «Er war Gott. Und dementsprechend hatte er natürlich ein Anrecht auf unsere Gedanken, unsere Gefühle, und irgendwann auch auf unsere Körper.»
Diese Allmacht eines Gurus ist es, was gemäss Katharina eine Sekte überhaupt erst definiert. «Eine Sekte ist meiner Meinung nach eine Gruppe von Menschen, in der eine Person – meist ein Narzisst – denkt, er oder sie sei besser als die Anderen und verfüge über höheres Wissen. Wenn die anderen Mitglieder der Gruppe das auch glauben, dann ist es sehr einfach, diesen Glauben auszunutzen.»
Aufwachsen in der Sekte
Katharinas Eltern glaubten an die Allmacht ihres Gurus – und traten der «Licht-Oase» bei, als Katharina zehn Jahre alt war. Wie es sich angefühlt hat, fernab der Heimat in einer Sekte im Dschungel Belizes aufzuwachsen, erzählt sie dir hier:
Die Zeit im Dschungel verbrachten die Mitglieder der Licht-Oase – unter dem Deckmantel eines Umweltprojektes – damit, eine Zeitmaschine für ihren Guru und sein Medium zu bauen. Deren Zweck sollte allerdings nicht das Reisen in die Zukunft oder in die Vergangenheit sein, sondern das Anhalten des Alterungsprozesses. «Der Guru und sein Medium waren von der ewigen Jugend besessen.» Katharina und ihre Leidensgenossen bastelten über Jahre an dem Flieger herum, funktioniert hat die Zeitmaschine allerdings nie. «Natürlich gab der Guru uns die Schuld dafür – wir hatten uns angeblich einfach nicht genug angestrengt. Und ich war wirklich sehr froh, dass die Zeitmaschine nicht funktionierte, schliesslich wollte ich unbedingt älter werden.»
Das Entkommen
Ihren Ausstieg aus der Sekte hat Katharina dank einem anderen Mitglied geschafft: der Schweizerin Lea Saskia Laasner. Der damals 21-Jährigen gelang die Flucht aus dem Dschungel – daraufhin flohen auch der Guru und sein Medium. «Sie hatten wohl Angst, wegen Kindsmissbrauch angezeigt zu werden», erzählt Katharina. «Ich konnte daraufhin endlich über meine Gedanken und Gefühle nachdenken und mit meiner Familie sprechen».
Bis man aufhört an die Dinge zu glauben, die einem eingetrichtert wurden, können Jahre vergehen.
Der physische Ausstieg aus einer Sekte ist erst der Anfang. Der Ausstieg im Kopf ist viel härter», sagt Katharina. «Bis man aufhört an die Dinge zu glauben, die einem eingetrichtert wurden, können Jahre vergehen. Und auch die Gemeinschaft der Gruppe vermisst man lange – so destruktiv diese auch war.»
Der Ausstieg bedeutete ausserdem, dass Katharina ihre Mutter verlassen musste. Diese schaffte den Ausstieg erst Jahre später – als Arno Wollensak in Uruguay verhaftet wurde.
Das Leben danach
Was von einem Leben in einer Sekte am längsten nachhallt, ist der Selbsthass. «Ich musste so lange Teile von mir abspalten und verleugnen. Mir wurde so lange beigebracht, mir selber und meiner Wahrnehmung nicht zu trauen», sagt Katharina. «Und den Selbsthass, der damit einhergeht, abzulegen, das dauert Jahre.»
Das sagt die Sektenforscherin
«Die Licht-Oase ist eine typische Sekte», sagt Susanne Schaaf von der Sektenberatungsstelle «Infosekta». «Natürlich sind nicht alle Sekten genauso – körperlicher Missbrauch z.B. kommt nicht überall vor. Allerdings ist eines der Definitionsmerkmale einer Sekte Missbrauch in irgendeiner Form – psychisch, physisch oder finanziell.» Den Erlebnisbericht von Katharina hält sie für «subjektiv, aber akkurat und wertvoll für die Sektenforschung und -beratung.»