Was verstehen Sie unter Service public?
Natalie Rickli: Leistungen, die der Staat zwingend erbringen muss und welche Private nicht anbieten. Die verschiedenen Sprachen und Landesteile sind dabei zu berücksichtigen. Die Medienpolitik gilt es endlich auf das 21. Jahrhundert auszurichten: Neue Technologien haben den Bürgern mehr Medienvielfalt und Möglichkeiten gebracht. Dies stärkt auch die Meinungsvielfalt als Basis der Demokratie. Nun müssten staatliche Leistungen abgebaut und die Gebühren gesenkt werden. Es ist Deregulierung angezeigt - und nicht ein weiterer Ausbau der SRG.
Mark Eisenegger: Der Service public umfasst jene Grundleistungen, die für die Gesellschaft unverzichtbar sind, sich jedoch nicht oder nur unzureichend über den Markt finanzieren lassen. Dazu zählen unter anderem die Bereiche Bildung, Kultur und die Medien. Den Informationsmedien kommt eine unverzichtbare Bedeutung für die Gesellschaft zu. Sie sind systemrelevant. Ohne Informationsmedien kann das demokratische Gemeinwesen nicht funktionieren. In jüngster Zeit verschärft sich die Finanzierungskrise der Informationsmedien. Deshalb müssen sie durch die öffentliche Hand gestützt bzw. mitfinanziert werden.
Welche Rolle spielen dabei die privaten Anbieter?
Natalie Rickli: Die Leistungen der privaten Anbieter wurden bis anhin in der medienpolitischen Diskussion kaum berücksichtigt. Darum hat die zuständige Nationalratskommission die Verwaltung beauftragt, in einem Zusatzbericht zum «Service-public-Bericht» zu analysieren, welche Leistungen die Privaten heute schon erbringen und welche Leistungen sie bereit wären zu erbringen, wenn es die SRG nicht mehr tun würde.
Klar ist: Online-Content soll den Privaten vorbehalten sein. Der Nationalrat hat im Dezember oppositionslos eine Motion überwiesen, die verlangt, dass Online-Werbung den Privaten vorbehalten sein soll.
Mark Eisenegger: Sowohl öffentlich wie auch privatwirtschaftlich finanzierte Medien mit Qualitätsanspruch übernehmen Service-public-Funktionen. Vom öffentlichen Rundfunk und von den konzessionierten privaten Fernseh- und Radioanbietern werden Service-public-Leistungen konkret eingefordert. Die SRG soll einen Service-public-Auftrag auf nationalem und sprachregionalem Parkett wahrnehmen, die privaten konzessionierten Rundfunkanbieter einen solchen in den Regionen. Die privilegierte finanzielle Stellung der SRG ist gerechtfertigt, weil nur ein finanziell starkes öffentliches Medienhaus wie die SRG die kritische Masse hat, sämtliche Sprachregionen ausreichend mit hochstehender Fernsehpublizistik zu versorgen und im Wettbewerb mit der starken ausländischen Konkurrenz zu bestehen
Wie sieht die Schweizer Medienlandschaft in 5 Jahren aus?
Natalie Rickli: Es wird noch mehr online konsumiert werden. Umgekehrt kommt den Qualitätsmedien in Zeiten von Fake News eine hohe Bedeutung zu: Diesbezüglich tragen die Printmedien, aber auch die Tagesschau oder Newssendungen auf privaten Kanälen eine besondere Verantwortung.
Der Anteil von Replay TV wird zunehmen. Das heisst für die SRG: Sie kann Sender abbauen und muss nicht mehr auf sieben Fernsehkanälen 24-Stunden-Programme anbieten. Die Konsumenten haben so mehr Wahlfreiheit und zahlen weniger Zwangsgebühren.
Mark Eisenegger: Die bestehende Finanzierungskrise der Informationsmedien wird sich weiter verschärfen. Die Digitalisierung des Medienwesens mit der Vormachtstellung globaler Tech-Giganten wird dazu führen, dass nationale Mediensysteme wie jenes der Schweiz weiter unter Druck geraten. Bereits heute fliessen 75% jedes neu investierten Werbefrankens international zu den beiden Tech-Giganten Google und Facebook. Gleichzeitig wird die Gratiskultur im Bereich der Informationsmedien nur sehr schwer zu überwinden sein. Die Zahlungsbereitschaft des Publikums für News bleibt tief, ja wird sogar noch weiter abnehmen. Weil Informationsmedien für die immer noch primär national orientierten demokratischen Gesellschaften unverzichtbar sind, wächst vor dem Hintergrund dieser Finanzierungskrise die Notwendigkeit, sie durch öffentliche Mittel zu unterstützen. Gebührenfinanzierte Medien sind also notwendiger denn je. Dies auch deshalb, weil Investitionen in den Informationsjournalismus sich primär noch für jene auszahlen, die politische Interessen verfolgen.
Wo können Private und die SRG zusammenarbeiten?
Natalie Rickli: Der gebührenfinanzierte Content soll auch den Privaten zur Verfügung stehen. Diese Forderung wurde von Seiten der GLP in der Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen gestellt. Die Kommission wird diesen Punkt ebenfalls im Februar vertieft prüfen.
Im Bereich Daten soll es eine offene Marktlösung für die Schweiz geben. Um den Medienplatz Schweiz zu stärken, sollten die Privaten und die SRG zusammenarbeiten. Es ist für die kleinen privaten Anbieter schädlich, wenn SRG, Swisscom und Ringier via Vermarktungsfirma Admeira eine Exklusivlösung betreiben.
Mark Eisenegger: Oft wird vergessen, dass das Schweizer Medienwesen seit vielen Jahren eine Tradition der Zusammenarbeit zwischen privaten und öffentlichen Medien kennt. Beispiele dafür sind etwa die Schweizerische Mediendatenbank (smd), die Schweizerische Depeschenagentur (sda) oder Presse TV. Private-Public-Partnerships zwischen der SRG und den Privaten werden in Zukunft strategisch wichtiger, um die Wettbewerbsfähigkeit des nationalen Mediensystems gegenüber der globalen Konkurrenz zu stärken. Kooperationen zwischen den Privaten und der SRG sind überall dort sinnvoll, wo sie weder die Medienvielfalt, noch die Unabhängigkeit der Redaktionen beschneiden. Potential sehe ich in den Bereichen Infrastruktur, Technologieentwicklung, journalistische Ausbildung und Medienforschung. Darüber hinaus könnte die SRG ihre Inhalte den Privaten mit der Auflage zur Verfügung stellen, dass diese mit zusätzlicher Berichterstattung angereichert werden und dadurch ein publizistischer Mehrwert geschaffen wird. Keinesfalls darf ein Zur-Verfügung-Stellen von SRG-Inhalten für Private aber dazu führen, dass journalistische Ressourcen abgebaut werden. Content-Sharing wäre also an Bedingungen zu knüpfen.
Zur Person:
Natalie Rickli ist Präsidentin der Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen, und sitzt für die SVP/ ZH als Nationalrätin im Parlament.
Mark Eisenegger ist Professor für Kommunikationswissenschaften an der Universität Zürich sowie an der Universität Salzburg.