Menschen über 50 werden auf dem Arbeitsmarkt oft diskriminiert. Sie sind zwar weniger häufig arbeitslos als jüngere Arbeitnehmer. Wenn sie aber den Job verlieren, dauert es länger, bis sie wieder eine Stelle finden.
Viele bleiben über Jahre in der Arbeitslosigkeit – sie werden ausgesteuert, und damit ist der soziale Abstieg programmiert. Eine Mehrheit der Betroffenen findet keine existenzsichernde Arbeit mehr. Sie landen in der Sozialhilfe, leben auf dem Existenzminimum.
Eine Befragung von 48 Unternehmen in der Schweiz zeigt die Gründe, warum ältere Menschen Mühe haben, eine Stelle zu finden: Die Arbeitgeber befürchten mangelnde Fitness, zu hohe Lohnforderungen und hohe Lohnnebenkosten, tiefe Belastbarkeit, mangelnde Technikaffinität und mangelnde Motivation.
Für die Betroffenen ist die Situation frustrierend. Sie erhalten meist nicht einmal die Möglichkeit, sich in einem Gespräch persönlich vorzustellen. In den Absagen wird das Alter nie als Kriterium genannt.
Keine Chance für Ältere
Ruth Stadelmann ist überzeugt, dass die Personalabteilungen Bewerbungsschreiben von älteren Menschen systematisch aussortieren. Die 61-Jährige ist seit zehn Jahren arbeitslos.
Nach 23 Jahren bei der Post wurde sie im Rahmen einer Reorganisation entlassen. Der Schock war gross: «Ich war doch immer fleissig und habe gut gearbeitet», sagt sie. Vergeblich kämpfte Ruth Stadelmann um eine neue feste Stelle. Bis sie ihren Weg aus der Altersfalle fand: Sie leistet Frewilligenarbeit. Ein Lichtblick nach Jahren der Isolation.
Noch in diesem Jahr wird Ruth Stadelmann pensioniert. Sie freut sich darauf, das Kapitel Sozialhilfe abschliessen und bald von AHV und Pensionskasse leben zu können.
Eine Belastung auch für die Angehörigen
Andreas Knuchel (59) verzichtet auf Sozialhilfe. Er müsste sonst sein Haus in Bellach verkaufen. Knuchel ist Ingenieur Elektrotechnik mit einem Nachdiplomstudium als Betriebswirtschafter. Er hat jahrzehntelang in Führungspositionen gearbeitet, mehrheitlich im Ausland. Bis er entlassen wurde. Seit drei Jahren kämpft er vergeblich um eine Stelle.
Seine Kinder, Tochter Tamara und Sohn Matthias, steckten beide noch im Studium, als ihr Vater arbeitslos wurde. Ehefrau Heidi stockte ihr Pensum von 60 auf 100 Prozent auf. Die Familie unterstützt Knuchel nach Kräften.
Tageweise arbeitet er heute als Lastwagenchauffeur. Er fühlt sich wohl auf der Strasse, schätzt die Kontakte und ist froh, der grossen Leere entrinnen zu können.
Beharrlich versucht Andreas Knuchel, sein Netzwerk zu nutzen und eine Stelle zu finden. Und tatsächlich gelingt es ihm, wieder einen Fuss in die Arbeitswelt zu setzen.
Der alte Lehrling
Auch Raffael Spielmann (49) war arbeitslos, bis er im letzten Jahr noch eine Lehre antrat. Er lernt den Beruf des Recyclers und ist einer der ältesten Lehrlinge der Schweiz.
In seiner Jugend schloss Spielmann keine Ausbildung ab. Er schlug sich mit Gelegenheitsjobs durch und zog allein seine zwei Töchter gross. Jetzt aber packt er die Chance, die ihm die Berufsausbildung bietet und nimmt es in Kauf, im Betrieb gefoppt zu werden.
Raffael Spielmann ist ein guter Schüler und hat ein grosses Berufsziel: Er möchte Ausbildner werden. Zunächst muss er aber selber die Lehrjahre hinter sich bringen. Er erhält von der Arbeitslosenkasse Ausbildungszuschüsse, die den Lehrlingslohn aufbessern.
Mit Beharrlichkeit aus der Krise
Gut qualifizierte Arbeitnehmer dagegen haben kein Anrecht auf eine berufliche Neuausrichtung. Alfred Waser ist 58-jährig und hat als Elektro-Ingenieur HTL und Wirtschaftsingenieur eine glänzende Karriere hinter sich. Er arbeitete beim Paul-Scherrer-Institut und bei Bombardier.
Vor sechs Jahren wagte er den Schritt in die Selbstständigkeit und scheiterte. Dann folgte der soziale Abstieg. Heute lebt er in einer 1-Zimmer-Wohnung mit Gemeinschaftsbenutzung von Küche und Bad. Aber Waser gibt nicht auf und bewirbt sich beharrlich weiter, obwohl sein Leben in Scherben liegt.
Raus aus der Lebenskrise
50+ und arbeitslos – eine Entlassung stürzt die Betroffenen und ihre Angehörigen in die Krise. Wer keine Arbeit mehr findet, fühlt sich ausgegrenzt und isoliert. Die eigene Identität ist in Frage gestellt. Dazu kommen oft existenzielle Ängste.
Aber wie auf den Jobverlust reagieren? Ruth Stadelmann, Andreas Knuchel, Raffael Spielmann und Alfred Waser kennen selber den Kampf um Arbeit und haben einen Weg aus der Altersfalle gefunden. Diese Ratschläge und Hilfestellungen möchten sie Betroffenen weitergeben:
- Unter die Leute gehen, sich engagieren. Wer allein daheim bleibt, läuft Gefahr in eine Depression zu rutschen.
- Es ist wichtig, eine Struktur im Alltag zu behalten.
- Ein Jobverlust ist belastend für Partnerschaft und Familie. Deshalb empfiehlt es sich, von Anfang an eine professionelle Begleitung zu haben.
- Über den Joberverlust im Bekannten- und Freundeskreis sprechen, um so auf mögliche neue Stellen aufmerksam zu werden.
- Sich nicht komplett verbiegen, nur um eine neue Stelle zu finden.