Das laute Aufjaulen des Malteser-Welpen Chica ist herzzerreissend: Tierärztin Iris Reichler legt einen Venenkatheter, um das Tier mit Medikamenten und Glukose zu versorgen. Chica hat Parvovirose, eine gefährliche Virenkrankheit, die ohne Behandlung tödlich endet. Im Frühling ist die Zahl der an Parvovirose erkrankten Welpen im Zürcher Tierspital explodiert: «So schlimm wie jetzt hab ich’s noch nie erlebt», sagt die Professorin für Veterinärmedizin. Sie geht davon aus, dass die Leute sich wegen der Corona-Pandemie vermehrt Hunde zulegen.
Mindestens 7600 illegal importierte Hunde
Die Statistik gibt Iris Reichler recht: Letztes Jahr wurden fast 31’000 importierte Hunde neu registriert, eine Rekordzahl. Mit fast 30 % ist der Zuwachs bei den sehr jungen Welpen gegenüber 2019 besonders gross. Dazu kommen die Dunkelziffer der illegal importierten Hunde, gemäss Zollverwaltung mindestens 7600 Tiere im letzten Jahr. Sie haben keinen Heimtierpass oder keinen Mikrochip, ihre Herkunft ist unbekannt. Damit besteht die Gefahr, dass sie aus einem Tollwut-Risikoland stammen wie Serbien, der Türkei oder Marokko.
Je mehr Hundeimporte, desto höher die Tollwutgefahr
Ein ebenfalls an Parvovirose erkrankter Zwergspitzwelpe im Tierspital Zürich ist ein solcher Fall: Die Tochter der Besitzerfamilie erzählt, sie hätten den Hund im Internet bestellt, die Übergabe habe auf einem Parkplatz in der Schweiz stattgefunden.
Der Zwergspitz stammt vermutlich aus Moldawien, wo die Tollwut noch nicht ausgerottet ist. In seinem Fall hat der Zürcher Kantonstierarzt eine Quarantäne im Ausland angeordnet. Oft aber werden Hunde mit Tollwutverdacht eingeschläfert. Schweizweit hat sich die Zahl der eingeschläferten Hunde seit 2010 mehr als verdoppelt, auf 61 getötete Tiere letztes Jahr. Im Gegensatz zur Parvovirose ist Tollwut übertragbar auf den Menschen und endet tödlich, wenn nicht rechtzeitig eine Impfbehandlung durchgeführt wird.
Kranke Importwelpen kommen teuer zu stehen
Chicas Besitzer will anonym bleiben. Er habe den Malteser im Frühling auf der Internetseite welpenkaufen.ch gefunden. Dahinter steht die Firma Elitdog mit Sitz in der Slowakei. Dort ist sie seit 2007 unter dem Namen Taktik registriert, eine Grosshandelsfirma mit Tieren.
Elitdog bietet mehrere dutzend Hunderassen an mit Lieferung bis zur Haustür für durchschnittlich 1300 Euro. «Es sah alles sehr professionell aus», sagt der Besitzer, und in der Schweiz koste ein Malteser mindestens das Doppelte. Allerdings ist Chica nicht reinrassig, und die Behandlung der Parvovirose kann bis zu 3500 Franken kosten.
Tierärzte kritisieren Mindestalter für Welpenimporte
Chica ist acht Wochen alt, das Mindestalter für den Import eines Hundes gemäss Schweizer Tierschutzverordnung. Tierärztin Iris Reichler kritisiert, das sei viel zu jung: «Die Welpen werden zu früh von ihrer Mutter getrennt, ihr Immunschutz ist schlecht und der achtstündige Transport aus Osteuropa zu anstrengend.»
Elitdog exportiert Welpen vor allem in die Schweiz und nach Österreich – die Firma nützt die schwachen Gesetze der beiden Länder aus. In der Mehrheit der EU-Staaten darf ein Hund erst im Alter von 15 Wochen importiert werden. Dann erst wirkt der Tollwutschutz. Österreich hat angekündigt, das Importalter für Welpen auf Ende Jahr zu erhöhen. Beim Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen sagt uns die Zuständige Liv Sigg: «Der Bundesrat lässt ein höheres Importalter prüfen».
Hundehändler bestreitet Verantwortung für Todesfälle
Stammen die acht Wochen alten Welpen aus schlechten Zuchten, und werden sie zusammen transportiert wie bei Elitdog, ist die Gefahr einer gegenseitigen Ansteckung gross. Das beweist der Fall des Malteser-Welpen Lars: Er war mit Chica auf dem Transport. Jetzt liegt auch er mit Parvovirose im Tierspital. Bei Chica ist die Krankheit am zweiten Tag nach der Ankunft in der Schweiz ausgebrochen.
Gemäss Tierärztin Iris Reichler liegt die Verantwortung für die Erkrankung bei der Firma Elitdog, weil die Inkubationszeit für Parvovirose drei bis zehn Tage beträgt. Als Chica an der Krankheit stirbt, weist die Firma jegliche Verantwortung von sich und erklärt sich nur bereit, einen neuen Hund zu schicken. DOK weiss von drei anderen Welpen, die Elitdog dieses Jahr in die Schweiz und nach Österreich geliefert hat, welche ebenfalls kurz nach dem Transport gestorben sind. Auf Nachfrage macht Elitdog-Geschäftsführer T. die neuen Besitzer für die Todesfälle verantwortlich.
Als Gebärmütter missbrauchte Muttertiere
Laut Insidern bezieht Elitdog die meisten Welpen von anderen Händlern in der Slowakei und in Ungarn. Die Recherchen führen zu nicht registrierten Hinterhofzuchten von Arbeitslosen, Landwirten oder Angestellten. Im 1000 Seelen-Dorf Vel’ké Kosihy an der ungarischen Grenze wachsen Malteser-Welpen in einem Schuppen auf, es stinkt nach Urin und Kot.
Die Besitzerin hat drei Mutterhündinnen, die sie zweimal im Jahr decken lässt, wie sie sagt. Mehr ist biologisch nicht möglich, die Mutterhündinnen werden als Gebärmütter missbraucht. Die Würfe seien mit sechs Welpen schlecht ausgefallen, sagt die Frau entschuldigend. «Kitty hat die Welpen einer anderen Mutter erwürgt. Wir nennen sie jetzt ‘Killer-Kitty’». Die Frau verkauft die Welpen für 250 Euro. Elitdog verlangt 1000 Euro – und mit dem Transport in die Schweiz 1300 Euro.
Millionengeschäft Welpenhandel
Für die Firma ist der Hundehandel vermutlich ein Millionengeschäft: Im Pandemiejahr 2020 hat Taktik mit 955 Hunden doppelt so viele Tiere verkauft als noch im Vorjahr. Gemäss Angaben der slowakischen Veterinärbehörden wurden 40 % in die Schweiz exportiert.
Bei einem durchschnittlichen Verkaufspreis von rund 1200 Euro abzüglich Mehrwertsteuer ergibt das einen Gesamtumsatz von rund einer Million Euro. Der slowakischen Firmendatenbank hat Taktik aber nur halb so viel Umsatz gemeldet. Die slowakischen Behörden ermitteln.
Qualzuchten
Im Osten Ungarns, nahe der rumänischen Grenze, werden französische Bulldoggen auf spezielle Art vermehrt: Die Welpen haben sogenannte Merle-Sprenkel, und ihr Farbton ist bläulich. Beides heikle genetische Mutationen,sie sind in der Schweizer Stammbaumzucht verboten. Es besteht die Gefahr, dass die Hunde blind oder taub werden.
Am prekärsten aber sind die kaum sichtbaren Nasen der Welpen. «Das ist Qualzucht pur!», empört sich Tierärztin Iris Reichler. Die Nasen würden weggezüchtet, um den Hunden ein süsses Babyface zu verleihen. «Im Sommer aber kriegen sie kaum Luft». Ihre Lebensdauer sei nicht lange.