«Wie schaffst du das nur?», fragte ich immer wieder, jedes Mal, wenn Antje aufzählte, welche Aufgaben zu ihrem Job gehören. In meinem Kopf hatte ich dabei Bilder aus dem Fernsehen – «CSI», «Bones, «Der Bestatter» – aber in einer solchen Szenerie konnte ich mir meine langjährige Freundin nicht so richtig vorstellen. Schon bald änderte sich deshalb meine Frage zu: «Darf ich mal mitkommen?»
Natürlich winkte sie ab. Keine Chance – der Zutritt zum Institut für Rechtsmedizin ist streng reguliert, aus guten Gründen. Im Haus werden Leichen gelagert, bis sie untersucht und von der Staatsanwaltschaft freigegeben werden, Gewebeproben werden analysiert, Gutachten geschrieben. Überall liegen und lagern vertrauliche Daten von toten und schwer verletzten Menschen. Informationen, die nicht nach Aussen gelangen dürfen.
Die Rechte der Toten
Ich wollte trotzdem mitkommen – und einen Kameramann mitnehmen. Der gute Leumund von 25 Jahren Freundschaft öffnete mir die Türe zum Leiter des Instituts und tatsächlich: Ich konnte ihn davon überzeugen, von der Arbeit mit Toten zu erzählen, ohne sie zu zeigen. Doch das sollte nur der Anfang sein.
Rechtsmedizin, Polizei und die Staatsanwaltschaft arbeiten eng zusammen, vor allem bei Einsätzen vor Ort. Es folgten etliche E-Mails, Telefonate und eine zweiseitige Auflistung über Möglichkeiten bei den Dreharbeiten und im Schnitt, alles zur Wahrung des Datenschutzes für die Polizei und die Staatsanwaltschaft. Irgendwann kam das «Go». Jetzt musste nur noch ein «AGT» – ein aussergewöhnlicher Todesfall – gemeldet werden.
Respekt vor den Toten
«Gestorben wird immer», sagte Antje, und hatte Recht. Nur hatten wir die Umstände unterschätzt. Mal war es der Vermieter, der mich nicht im Haus haben wollte. Dann die Staatsanwaltschaft, weil der Fall heikel war. Oft waren Angehörige vor Ort, und in diesem Fall war eine Kamerapräsenz aus Pietätsgründen für uns sowieso undenkbar. Der Respekt vor den Toten war für uns alle wichtiger als zwei Minuten Filmmaterial.
Wie zeige ich also, was ich nicht zeigen darf? Was mich erst enttäuschte, lieferte schlussendlich Eindrücke, die einen nicht sehen, sondern vor allem auch spüren lassen. Es ging mir nie darum, ein abschliessendes und detailreiches Berufsporträt zu zeigen – viel mehr suchte ich von Anfang an Antworten auf die Frage, wie man mit dem täglichen Tod umgeht.
Auf Ekel folgte Faszination
Erst nach den Dreharbeiten und beim Sortieren meiner eigenen Gedanken habe ich gemerkt, dass die eigentlichen Antworten zwischen den Bildern liegen.
Die Tage in der Rechtsmedizin haben auch mich verändert. Nicht nur der vielen Hürden wegen. Wir sind uns nicht gewohnt, dem Tod ins Gesicht zu sehen, und es kostete mich Überwindung. Dem initialen Ekel folgte aber sofort Faszination für diesen vielschichtigen Beruf, und ich kann nur hoffen, dass es dem Zuschauer genauso ergeht.