Ich liege im Bett. Hellwach. Meine Gedanken kreisen um die Dreharbeiten des nächsten Tages. Ein Blick auf den Wecker beraubt mich der Illusion, es sei bereits Zeit, um aufzustehen. Zwei Uhr nachts. Noch vier Stunden bis zum Morgengrauen. Grauenhaft. Wieder so eine Nacht, an die ich tags darauf durch Augenringe und Müdigkeit erinnert werde. Offensichtlich tangiert mich dieses Filmprojekt über Menschen mit Schlafstörungen mehr, als mir lieb ist. Wenigstens kann ich guten Gewissens behaupten, dass ich mit meinen unruhigen Nächten nicht alleine auf weiter Flur stehe, oder besser gesagt, wach im Bett liege. Denn jede vierte Person in der Schweiz klagt über Schlafstörungen. Und deshalb überschneiden sich bei diesem Filmprojekt persönliche Betroffenheit mit Relevanz.
Die selbst gewählte Versklavung des vernetzten Individuums
Abgesehen von gesundheitlichen Ursachen für Schlafstörungen, würden diese heutzutage vor allem im Kontext neuer Informations- und Kommunikationstechnologien stehen, sagen Experten.
Ein persönliches Beispiel: Mein erstes Smartphone. Zuerst eine wahre Offenbarung. Ein kleines Zauberding mit grossartigen Möglichkeiten. Ich verfasste darauf Geschäftsmails, sendete SMS, schrieb meinen Facebook-Freunden, surfte im Internet und fand laufend neue Möglichkeiten, meine Lebenszeit mit dem Wunderding zu verbringen. Sogar telefonieren konnte ich damit. Aber ich war längst nicht der einzige, der anderen Mitteilungen zukommen liess. Inzwischen erhalten ich auf meinem Smartphone täglich ungezählte Mails, SMS, WhatsApp-Nachrichten, Ermahnungen von Facebook («Hanspeter, du hast ungelesene Benachrichtigungen») – und sogar Telefonanrufe . Das alles rund um die Uhr, egal, wo ich mich gerade auf dieser Welt aufhalte. Das verführerische Gerät, erst noch als Tor zur Freiheit hochgelobt, zwingt mich nun förmlich dazu, ständig damit zu hantieren.
Die ständige Angst etwas zu verpassen
Nun ist es aber nicht so, dass ich die neuen Kommunikationsmöglichkeiten ablehne. Keineswegs. Es ist schlimmer. Ich gehöre zu jenen Zeitgenossen, die sich ständig genötigt fühlen, einen Blick auf das Smartphone zu werfen in der Angst, etwas verpassen zu können – und das bereits frühmorgens, über die Mittagszeit und auch spätabends, am Wochenende und während der Ferien. Klappt der Dreh übernächste Woche? Oder hat sich der Protagonist anders entschieden und will nun doch nicht vor die Kamera treten? Ist die notwendige Drehbewilligung auf dem Privatgelände der Firma XY bereits eingetroffen? Ich, das vernetzte Individuum, habe mich in der Unzahl digitaler Möglichkeiten selbst versklavt. Und meine Dauerkonsumkultur hat längst auch die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit aufgehoben. Geschäftliche Mails zu schreiben, kurz bevor ich ins Bett gehe, ist selbstverständlich geworden. Wer aber in Gedanken das Geschäft mit ins Bett nimmt, kann von gutem Schlaf nur träumen.
Ein- und Ausschalten
Soziologen reden beim Gebrauch von Smartphones bereits von einer neuen Sucht, die breite Kreise der Gesellschaft betreffen. Noch handelt es sich nicht um eine offiziell anerkannte Erkrankung, aber vermutlich wird das nicht mehr lange dauern. Und deshalb werde ich – und mit mir wahrscheinlich viele andere auch – lernen müssen, das «Ein/Aus»-Prinzip anzuwenden. Als Vorbild dienen all die technischen Geräte, die wir so sehr bewundern: Wenn sie nicht gebraucht werden, verdunkeln sie automatisch ihre Benutzeroberfläche und legen sich in den «Schlafmodus». So einfach geht das.