«Ich kann vieles bereits selbstständig»
Joël Hofstetter (25) lebte mit seiner Mutter in Hausen am Albis bevor er in die Wohnschule eintrat. In seiner Freizeit lernt er Englisch und bereiste schon die halbe Welt. Er ist der grösste Fan des FC Hausen am Albis, wo auch sein bester Freund aus Kindergartenzeiten spielt. Vor einigen Monaten vermittelte ihm sein Arbeitgeber, die soziale Einrichtung Züriwerk, eine Stelle bei tpc, der Produktionsfirma von Schweizer Radio und Fernsehen (SRF). Er ist also mittlerweile ein Arbeitskollege von «Reporter»-Autor Patrick Schellenberg.
«Ich wünsche mir eine Wohnung mit Balkon»
Janine Zobrist (25) wuchs in einer Pflegefamilie und in verschiedenen sozialpädagogischen Einrichtungen auf. Sie arbeitet in der Bäckerei St. Jakob in Zürich. In der sozialen Einrichtung arbeiten gelernte Bäcker Seite an Seite mit Menschen mit einer Beeinträchtigung. In ihrer Freizeit singt die Winterthurerin in einem Chor. Sie hat ein Faible für Horrorfilme und Vogelspinnen. In ihrem Lieblingsfilm «Free Willy» spielt aber ein Orca die Hauptrolle. Ihr grosser Traum ist ein Job als Tierpflegerin im Zoo Zürich.
Die Wohnschule von «Pro Infirmis»
Die Behindertenorganisation «Pro Infirmis» betreibt die Wohnschule im Kanton Zürich an zwei Standorten (Altstetten und Fehraltorf) mit je sechs Ausbildungsplätzen. Das Ziel ist, Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung zu befähigen, selbstständig in einer eigenen Wohnung leben zu können. Das Mindestalter beträgt 18 Jahre.
Der Standort Altstetten besteht aus zwei Blockwohnungen, die gleichzeitig als WG-Wohnräume und als Unterrichtsräume dienen. Die praktische und theoretische Ausbildung dauert maximal drei Jahre und findet berufsbegleitend statt. Vormittags arbeiten die Wohnschülerinnen und -schüler auswärts in spezialisierten, sozialen Betrieben. Der Unterricht findet am Nachmittag statt. Schwerpunkte der Ausbildung sind:
- Haushaltsführung (einkaufen, kochen, waschen und putzen)
- Umgang mit Geld
- Kompetenz beim Gebrauch von Handy und Internet
- Freizeitgestaltung und -planung
- Umgang mit sich selbst und mit anderen, Sozialkompetenz
Die Wohnschule hat einen Leistungsauftrag des Kantons Zürich als direkt finanziertes Heim. Das monatliche Pensionsgeld von 3600 Franken finanzieren die Wohnschülerinnen und -schüler mit Geldern der IV und mit Ergänzungsleistungen.
Dieses Jahr feiert die Wohnschule ihr 30-jähriges Bestehen. Nach Angaben von «Pro Infirmis» haben bisher rund 300 Menschen die Wohnschule absolviert. 75 Prozent von ihnen leben auch fünf Jahre später noch in ihrer eigenen Wohnung.