14. März 2022, 9:50 Uhr, Bern. Christoph Spörri verbringt seine letzten Minuten in Freiheit. Er muss ins Gefängnis. Zurück lässt er seine zwei Söhne und seine Frau. «Ich liebe dich, pass gut auf die Kinder auf», sind seine letzten Worte an seine Frau. Dann ist er weg, im Regionalgefängnis Bern.
Dezember 2019, morgens bei der Familie Spörri. Noch sitzt Christoph Spörri nicht im Gefängnis, sondern beim Zmorge mit seiner Familie. Das Aufgebot für den Haftantritt hat er aber schon erhalten. «Regionalgefängnis Bern, Montag, 3. Februar 2020, vor 10:00 Uhr vormittags.» Seine Familie muss bald ohne ihn auskommen. Doch es wird anders kommen.
Sorgenvoller Blick in die Zukunft
Dass Christoph Spörri ins Gefängnis gehen muss, belastet Ehefrau Tina Spörri, auch beim Zmorge im Dezember 2019: «Ich denke dran, wie es dann sein wird, wenn ich alles allein machen muss. Da wird schon einiges auf mich zukommen, denn mein Mann unterstützte mich bei der Betreuung der Kinder immer super.»
Die Familienverhältnisse sind nicht einfach: Der ältere Sohn hat eine andere Mutter, will aber bei seinem Vater Christoph Spörri bleiben. Ein Sorgerechtsstreit läuft. Und bald muss der Vater ins Gefängnis.
Spörri gibt nicht auf
Christoph Spörri macht sich täglich Gedanken über seine Verurteilung, seit Jahren. Doch Aufgeben kommt für ihn nicht infrage.
Ich bin nicht einer, der den Kopf in den Boden steckt und sagt, jetzt mag ich nicht mehr.
Seit dem Richterspruch 2016 kämpft er gegen die Freiheitsstrafe: «Ich bin nicht einer, der den Kopf in den Boden steckt und sagt, jetzt mag ich nicht mehr. Wenn ich am Boden liege, dann stehe ich wieder auf.»
1. Mai 2012, ca. 21:00 Uhr, Ostermundigen BE. Eine Lagerhalle brennt. Die Feuerwehr ist vor Ort und hat den Brand bald unter Kontrolle. Christoph Spörri lagerte hier seine Plattensammlung. Der Brand zerstörte sie komplett. Die Sammlung ist versichert, für 200'000 Franken. Kurz nach dem Feuer werden zwei Personen festgenommen. Sie stehen im Verdacht, den Brand gelegt zu haben.
Christoph Spörri kennt den Brandstifter
Brisant: Christoph Spörri kennt den einen Brandstifter persönlich: Es ist sein damaliger Fitnesstrainer. Die zwei Brandstifter sitzen mehrere Wochen in Untersuchungshaft. Christoph Spörri nicht.
Er wird vorerst nur als Auskunftsperson befragt. Die Brandstifter nennen nicht ihn als Auftraggeber, sondern den Vermieter der Lagerhalle: Er habe den Auftrag gegeben. Der Vermieter erhielt von der Versicherung über 60'000 Franken, das Verfahren gegen ihn wird jedoch eingestellt.
Gegen Christoph Spörri wird schliesslich doch ein Verfahren eröffnet. Der Verdacht: Er könnte den Brand in Auftrag gegeben haben, um die Versicherungssumme zu kassieren.
Kein Grund zur Sorge dachte Spörri damals: «Ich habe das nicht ernst genommen. Ich war damals so erfolgreich als DJ, dass ich mir sagte, sorry, für 200'000 Franken würde sich das eh nicht lohnen.» Doch es kommt anders. Christoph Spörri wird angeklagt und in einem Indizienprozess verurteilt.
Das Urteil – ein Schock
25. November 2016, Regionalgericht Bern. Die Richter sprechen Spörri schuldig. Sechs Jahre Freiheitsstrafe, weil Spörri laut den Richtern seine Plattensammlung abfackeln liess, um die Versicherungssumme zu kassieren. Aufgrund der Indizienlast gebe es keine Zweifel, dass Christoph Spörri der Auftraggeber war, wird später in der Urteilsbegründung stehen.
Ich dachte, das sei ein Witz, da will mich jemand verarschen.
Als Motiv nennen die Richter Christoph Spörris finanzielle Schwierigkeiten. «Ich war in einem Schockzustand. Ich war einfach leer. Ich dachte, das sei ein Witz, da will mich jemand verarschen», blickt er zurück. Bis heute sagt Spörri, dass er nichts mit der Brandstiftung zu tun habe.
Christoph Spörri zieht das Urteil weiter an das Obergericht, doch auch hier lautet das Urteil «schuldig». Allerdings senkt das Gericht das Strafmass auf vier Jahre. Christoph Spörri gibt nicht auf und zieht den Fall vor das Bundesgericht. Das Gericht lehnt die Beschwerde ab, hält aber fest, dass insgesamt auch Gründe vorliegen könnten, «welche ein alternatives Tatgeschehen mit einer anderen Täterschaft als möglich erscheinen lassen». Doch Spörri bleibt verurteilt.
Christoph Spörri und seine Frau Tina müssen deshalb den Kindern erklären, dass ihr Vater ins Gefängnis gehen muss. «Wir sprechen offen mit ihnen. Sie wissen, was geht. Unsere Familie ist ein Team, wir halten zusammen», erklärt Christoph Spörri.
«Für mich ist mein Mann kein Verbrecher»
Wie ist es für Tina Spörri, einen verurteilten Straftäter als Ehemann zu haben? Hat sich ihre Beziehung deshalb verändert? «Nein», sagt Tina Spörri, «ich kenne meinen Mann sehr gut. Deshalb weiss ich auch Dinge, die andere nicht wissen.»
Tina Spörri sei überzeugt, dass ihr Mann nichts mit dem Fall zu tun habe: «Er ist für mich kein Verbrecher.» Selbst wenn er damit zu tun gehabt hätte, würde sie zu ihm halten: «Es gibt Menschen, die in ihrem Leben Fehler machen. Ich finde, auch dann sollte man zueinanderstehen können.»
Mai 2020, eigentlich müsste Christoph Spörri jetzt im Gefängnis sein. Doch er ist beim Coiffeur. Zeit für die Bartpflege. Er stellte ein Gesuch, um seinen Haftantritt zu verschieben, bis der Sorgerechtsstreit um seinen älteren Sohn entschieden ist.
Die Berner Behörden gewährten ihm einen Aufschub. Und dann spielte Spörri die Coronapandemie in die Hände: Um Ansteckungen in Gefängnissen zu verhindern, müssen in dieser Zeit verurteilte Personen, von denen keine unmittelbare Gefahr ausgeht, ihre Haftstrafe noch nicht antreten.
«Wir haben schon eine Strafe erhalten»
Trotz Bundesgerichtsentscheid kämpft das Ehepaar Spörri weiterhin gegen die Freiheitsstrafe: Sie reichen Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Strassburg ein: Der Grundsatz «im Zweifel für den Angeklagten» sei verletzt worden.
Wir haben eine gewisse Strafe schon verbüsst, mit all dem, was auf uns niederprasselte.
Auch bei den Berner Behörden reichen sie ein Gesuch ein. Christoph Spörri möchte seine Strafe mit einer elektronischen Fussfessel absitzen, zu Hause. «Das wäre ein Novum, denn eigentlich kann man eine Fussfessel nur bis zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Monate erhalten. Aber warum nicht ein Novum bei mir? Ich will nicht flüchten.»
Tina Spörri ergänzt: «Wir haben eine gewisse Strafe schon verbüsst, mit all dem, was auf uns niederprasselte. Wir mussten viel durchmachen und deshalb wäre es einfach nur fair, wenn er für uns, für die Familie und für die Existenz da sein könnte.»
Doch der Europäische Gerichtshof lehnt die Beschwerde ab, sie sei unzulässig. Auch der Antrag für eine elektronische Fussfessel wird abgelehnt.
Juni 2022, jetzt befindet Christoph Spörri in der Justizvollzugsanstalt Witzwil im Kanton Bern. Seine Familie kann ihn regelmässig besuchen. Täglich telefoniert er nach Hause und schreibt Briefe. Von seiner vierjährigen Haftstrafe hat er erst ein halbes Jahr verbüsst.