Wer den Pappbecher mit der Meerjungfrau in der Hand hält, der gehört dazu: Zu jenen, die sich die verhältnismässig teuren Getränke leisten können. Mit dem Becher kaufen sich die Kunden auch soziale Anerkennung.
Das ist ganz im Sinne der Marketingstrategie des Unternehmens, doch die Strategen haben auch erkannt, dass das nur funktioniert, wenn der Kunde nicht abgefertigt wird.
«Bitteschön Laura, hier dein Grande Latte!»
Den eigenen Namen auf dem Kartonbecher vorzufinden, das gab es noch nie zuvor. Starbucks hat begriffen, dass Sprache verbindet – und dass damit die Marke persönlich wird. Da kann das Unternehmen getrost auf riesige Werbekampagnen verzichten. Jeder Kunde wird zum Werbeträger.
Was geht Sie mein Name an?
In Grossbritannien sorgte diese persönliche Ansprache anfänglich jedoch für Irritationen. Die typisch britische Antwort auf eine solche Frage ist: «Was geht Sie mein Name an?»
«Die Briten haben sich nun ein wenig daran gewöhnt, aber es ist ihnen immer noch etwas unangenehm, ihren Vornamen angeben zu müssen, wenn sie einen Kaffee bestellen», sagt Louie Salvoni, Gastrounternehmer in London.
Zum Konzept von Starbucks gehört auch, dass man lange sitzen bleiben darf. Die Kunden schätzen den geringen Konsumdruck. Und das Unternehmen hat auch etwas davon, wenn ihre Lokalitäten gut gefüllt sind; auch mit gut gekleideten Geschäftsleuten mit ihren Smartphones und Laptops.
Die Hippies wollten es anders
Doch das entspricht eigentlich nicht der Idee der Gründer. Es war in den 70er Jahren in Seattle, an der amerikanischen Westküste. Hippies verkörperten mit allem, was sie sagten und taten, dass sie den «American Way of Life» ablehnen oder zumindest gründlich in Frage stellen.
Gordon Bowker, Gerry Baldwin und Zev Siegel, Freunde aus Studienzeiten, gründeten 1971 ein Kaffee-, Tee- und Gewürzgeschäft, das «Starbucks Coffee, Tea and Spice» im alten Hafen von Seattle. Sie verkauften keinen Kaffee zum Trinken, sondern hochwertige Kaffeebohnen und Gewürze und stellten damit Qualität über Quantität.
Das Unternehmen veränderte sich, als zehn Jahre später Howard Schultz Marketingchef wurde; ein erfolgreicher Macher aus New York. Er erkannte das Potential und krempelte das Unternehmen um. 1986 übernahm er Starbucks und leitete das Unternehmen bis letztes Jahr.
Unter seiner Leitung wandelte sich der Kaffee zum Lifestyle-Produkt und das Unternehmen zu einem Milliardenkonzern. Dabei war auch ihm der soziale Gedanke nicht fremd: «Ein gutes Unternehmen darf nicht nur an den Gewinn denken, sondern muss auch soziale Verantwortung übernehmen.»
Tatsächlich haben Starbucks-Angestellte gute Sozialleistungen und in den USA erhalten auch Teilzeitangestellte eine Krankenversicherung. Wer länger als ein Jahr angestellt ist, erhält Aktien des Unternehmens.
Unter der süssen Rahmhaube brodelt es
Doch viele Mitarbeiter klagen über enormen Druck, niedrige Löhne und der aggressive Expansionskurs des Unternehmens kommt nicht überall gut an. Starbucks reisst beste Standorte an sich und baut für ähnliche Gastrobetriebe eine kaum zu bewältigende Konkurrenz auf.
So berichtet ein Cafébesitzer in New York, wie eines Tages ihm unbekannte Leute in sein Lokal kamen, um den «Umbau» zu planen. Kurze Zeit später entstand dort eine Starbucks Filiale.
Eigene Richtlinien für «Fair Trade»
Auf grosse Kritik stösst das hauseigene Label für fairen Kaffee. Starbucks hat eigene Richtlinien für «Fair Trade» erlassen. Diese Praxis wird als nicht unabhängig bezeichnet. Ebenfalls in der Kritik sind die massiv gezuckerten Getränke, welche bei Starbucks über die Theke gehen.
2012 machte ein Journalist der Nachrichtenagentur Reuters zu Starbucks eine interessante Entdeckung: Der multinationale Konzern bezahlte keine Einkommenssteuer, weil das Unternehmen offiziell keinen Gewinn aufweist. Die britische Labour-Abgeordnete Margeret Hodge nahm das Thema auf die Agenda des parlamentarischen Finanzausschusses, den sie leitete. Die Steuerumgehung weitete sich zu einem Skandal aus.
Anti-Rassismus-Kurs für die Angestellten
Im April 2018 schliesslich, wird der Konzern in einen Rassismus-Skandal verwickelt. In einem Starbucks-Café in Philadelphia wollen zwei Afro-Amerikaner auf einen Freund warten, bevor sie ein Getränk bestellen. Einer möchte die Toilette benutzen. Daraufhin ruft der Filialleiter die Polizei, es kommt zu Verhaftungen. Die Situation eskaliert.
Starbucks reagiert nach dem Vorfall mit einer Initiative. Alle amerikanischen Läden werden für einen ganzen Nachmittag geschlossen. Die Angestellten müssen an einem Anti-Rassismus-Kurs teilnehmen.
Starbucks ist vom kleinen, feinen Comestibles-Geschäft zum Milliardenkonzern geworden. Von der Ursprungsidee ist nicht viel übrig geblieben, entstanden ist ein Symbol der Globalisierung und unserer Konsumgesellschaft.