Während die Parlamentarierinnen im Nationalratssaal debattieren, wird im Vorzimmer um jede Stimme gekämpft. Lobbyistinnen und Lobbyisten wie Fabienne Thomas versuchen, die Politiker von ihrer Meinung zu überzeugen.
«Wir versorgen die gewählten Parlamentarierinnen mit Informationen», erklärt sie das Geschäftsmodell von Lobbyistinnen im Bundeshaus. Mit Fachwissen versucht die 45-Jährige die gewählten Parlamentarier von ihrer Position zu überzeugen.
Tausende Lobbyistinnen rund ums Bundeshaus
Die Gewählten im Bundeshaus werden von Verbänden, Firmen und NGOs umschwärmt. Sie alle wollen Einfluss nehmen. Rund ums Bundeshaus gibt es eine regelrechte Industrie aus «Public Affairs»-Agenturen. Die genaue Zahl der Lobbyistinnen und Lobbyisten, die Politiker mit E-Mails und Einladungen bearbeiten, kennt niemand.
Klar ist: Es sind ein Vielfaches mehr als die 246 Gewählten. Laut Hochrechnungen haben rund 2000 Organisationen oder Unternehmen regelmässig Kontakt zu einem Parlamentsmitglied.
Viele Ratsmitglieder vergeben einen ihrer zwei Zutritts-Badges an einen gleichgesinnten Lobbyisten. Oder: Sie laden Lobbyistinnen als Tagesgäste für eine Besprechung in die Wandelhalle ein.
Teil des «Klassenlagers»
Fabienne Thomas hat einen permanenten Zugangs-Badge – sie kriegt ihn von der Grünen Nationalrätin Christine Badertscher. Als Lobbyistin arbeitet sie bereits seit rund fünf Jahren in der Wandelhalle und gehört heute zum «Klassenlager» dazu.
Sie kennt viele Parlamentarierinnen beim Vornamen, hat deren Nummern und tauscht sich mit vielen auch über Privates aus. Sie kennt viele Angestellte aus den Bundesämtern, den Parlaments- und Sicherheitsdiensten.
Im Milizsystem braucht es Lobbyisten.
Auch mit drei Bundesräten ist Fabienne Thomas per Du. Dieses Netzwerk nutzt sie vor wichtigen Debatten für ihre Arbeitgeber: Beim soeben verabschiedeten Stromgesetz zum Beispiel für den Wirtschaftsverband AEE Suisse.
Lobbyistin schreibt Gesetze und Statements
«Im Milizsystem braucht es Lobbyisten», ist Fabienne Thomas überzeugt. «Politikerinnen und Politiker müssen zu unzähligen Fachbereichen ins Detail Bescheid wissen, so viel Fachwissen kann sich ein Mensch alleine gar nicht aneignen.»
Als Expertin für Energiepolitik hat Fabienne Thomas schon oft Gesetzestexte mitverfasst. Auch für parlamentarische Vorstösse, Reden und Medienkonferenzen greifen die Parlamentarier gerne auf ihre Expertise zurück. «Meist liefern wir aber nur Inputs – ihre Meinung bilden sich die Parlamentarierinnen selber.»
Viele Lobbyisten halten sich verdeckt
Minderheiten, die keine Lobby-Organisation haben, drohen in diesem System unterzugehen. Welche Branche wie viele Lobbyisten im Bundeshaus hat, darüber gibt es aber keine Erhebungen.
Längst lobbyieren aber nicht nur finanzstarke Wirtschafts-Zweige im Bundeshaus. Auch Gewerkschaften oder Umwelt-NGOs sind mit vielen Lobbyistinnen vertreten.
Viele Lobbyisten geben sich zu ihrer Arbeit verdeckt. Nicht so Fabienne Thomas. Sie ist von der Notwendigkeit ihres Berufsstandes überzeugt – es sei an den Politikern, sich ihre Lobbyisten gezielt auszuwählen.