Christof Henggeler hat eine Vision. Er will der Welt zeigen, dass der Mensch nicht nur das Potenzial hat, die Natur zu zerstören. «Wir können ihr auch helfen, sich zu erholen, indem wir ihre Selbstheilungskräfte aktivieren.»
Henggeler hat vor 30 Jahren im australischen Outback eine Farm namens «Kachana» aufgebaut, fast eine Flugstunde entfernt vom nächsten Ort. Dort treibt er Rinder über sein Land. Das klingt banal, hat aber schier unglaubliche Effekte: In wüstenähnliche Landschaften kehrt das Leben zurück.
Henggeler wuchs auf einer Farm in Rhodesien auf, dem heutigen Simbabwe. Als das Land Anfang der 1970er Jahre im Bürgerkrieg versank, kehrten die Henggelers in die Schweiz zurück, wo Christof seine heutige Frau Jacqueline traf – die Tochter eines Engelberger Hoteldirektors. Er wanderte nach Australien aus, und sie folgte ihm. Die beiden gründeten eine Familie und bekamen drei Kinder.
Eine Farm im Outback als Herzensprojekt
Christof Henggeler wollte Farmer sein und die Natur verstehen lernen. Darum führte er seine Liebsten Anfang der 1990er Jahre an einen Ort, wo es monatelangen Dauerregen gibt und über 40 Grad im Schatten heiss werden kann. Als Junggeselle hatte er Geld zusammengespart und geschickt in Immobilien investiert. Die Familie lebte von den Mieteinnahmen. Die Farm blieb all die Jahre ein Herzensprojekt, das nicht rentieren musste.
Rinder als Landschäftsgärtner
Henggeler bringt Viehherden aufs Land und lässt sie dort in einem ausgeklügelten Rhythmus zirkulieren. Die Tiere sollen also weder Milch geben noch später gegessen werden. Sie sind vielmehr eine Art «Landschaftsgärtner».
Sie weiden und lockern mit ihren Hufen den Boden auf, treten Pflanzen und deren Samen runter und düngen das Land mit ihren Exkrementen.
Die Folge: Der Boden beginnt wieder zu leben. Sonne und Regen unterstützen die positive Dynamik. Und schliesslich kommt das Wasser zurück, das von den neu belebten Böden wieder gespeichert werden kann.
Es grünt wieder
Henggelers Resultate beeindrucken: Nach einigen Jahren gezieltem Landmanagement fliessen die Bäche wieder ganzjährig. Es hat allerlei Tiere. Und es grünt überall. Kurz, im australischen Busch ereignen sich kleine Wunder.
Jetzt, wo alle von Klimawandel und Umweltschutz reden, könnte Henggelers Feldforschung zukunftsweisend sein. Denn er hat Prinzipien entwickelt, die globale Gültigkeit haben: Wie sich Biodiversität fördern lässt, die Wassersicherheit steigt und das Land gesünder und produktiver wird. Gleichzeitig binden diese Landschaften neu tonnenweise Kohlenstoff.
Der Lehrmeister ist die Natur.
«Durch Beobachtung lässt sich herausfinden, wo und wie man eingreifen könnte, um Selbstheilungsprozesse in Gang zu setzen oder zu beschleunigen», erklärt Henggeler sein Vorgehen. «Der Lehrmeister ist also die Natur.»
Gleichzeitig studierte er intensiv, was andere schon herausgefunden hatten und entwickelte es weiter. Als zentralen Vordenker nennt er Allan Savory.
Savory ist ein simbabwischer Ökologe, Viehhalter und Präsident und Mitbegründer des «Savory Institute». Er ist der Erfinder von «Holistic Management», einem systemorientierten Ansatz zur Verwaltung von Ressourcen.
Henggeler ist überzeugt vom riesigen Potenzial seiner Methode. Einerseits könnten tropische und sub-tropische Gebiete in Australien enorm profitieren, andererseits aber auch verödete Gebiete im Mittelmeerraum und in Afrika.
«Die Natur braucht uns nicht, aber wir brauchen die Natur», sagt Henggeler. Wassersicherheit, Biodiversität und Agrarpotenzial seien in vielen Weltgegenden zentrale, existenzbedrohende Themen.
Einstieg in CO2-Handel
Mit anderen Worten: Seine Methode könnte helfen, die Gründe für klimabedingte Migration zu mildern. Und für Menschen in ärmeren Weltgegenden würden sich neue Geschäftsmöglichkeiten eröffnen: Sie könnten Landschaften wiederbeleben und in den Handel mit CO2-Zertifikaten einsteigen. «Zahlt uns doch dafür, damit wir euren «Güsel» aus der Luft runterholen», schlägt Henggeler vor.
Henggeler startet optimistisch ins neue Jahr. «Die Menschen scheinen langsam zu erwachen», fasst er seine Eindrücke aus dem 2019 zusammen.
Früher wurde er als Spinner belächelt
Das Thema Umweltschutz sei vor dem Hintergrund der weltweiten Klimadebatten ins Bewusstsein weiter Bevölkerungskreise gekommen. Als Henggeler vor 30 Jahren anfing mit seinen Beobachtungen der Natur, war das noch anders. Damals wurde er als Spinner belächelt. Mittlerweile wird er für Vorträge eingeladen. «Die Skepsis nimmt ab, aber gehandelt wird zu wenig schnell.»
Eine der Fragen, die er am meisten höre, sei: «Wo ist das Geld?» Natürlich sei es kurzfristig rentabler, Raubbau an der Natur zu betreiben. Glücklicherweise werde aber immer mehr Menschen, vor allem auch jungen Menschen, klar, was die langfristigen Kosten eines solchen Verhaltens seien.
«Zentral ist ein informierter Konsument, der ökologisch aufbauende Tätigkeiten gezielt unterstützt.» Es gebe heute viele, die statt Teil des Problems lieber Teil der Lösung sein möchten. Darum sei er grundsätzlich optimistisch. «Ich bin Vater und Grossvater, ich muss hoffen…»