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Rettung bedrohter Riffe Wie ein Schweizer gegen das Korallensterben kämpft

Der Basler Ahmad Allahgholi kämpft gegen das Korallensterben, indem er Riffe wieder aufforstet. Auf den Malediven entsteht ein Korallengarten mit 50’000 Korallen, eines der grössten Korallenprojekte bisher.

Weltweit sind etwa drei Viertel aller Riffe akut bedroht. Steigende Wassertemperaturen, Überfischung, zerstörerische Fischfangmethoden und Wasserverschmutzung setzen den empfindlichen Lebewesen zu.

Korallenriff mit abgestorbenen Korallen.
Legende: Viele Korallen im Hausriff des Luxushotels Soneva auf den Malediven sind bereits abgestorben. SRF

Auf der ganzen Welt werden Bemühungen unternommen, Korallenriffe zu retten und neu anzupflanzen.

Warum sind Korallenriffe wichtig?

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Der Einfluss von Korallenriffen erstreckt sich über die Meeresoberfläche hinaus. Korallenriffe sind auch für uns Menschen von grosser Bedeutung.

  • Sie beherbergen einen enormen Artenreichtum und sind eine unverzichtbare Nahrungsquelle für Meeresbewohner.
  • Etwa eine halbe Milliarde Menschen hängt wirtschaftlich von Korallenriffen ab. Der Rückgang der Fischbestände bedeutet für viele Menschen den Verlust ihrer Arbeits- und Nahrungsgrundlage.
  • Korallen produzieren sehr viel Sauerstoff.
  • Korallen spielen eine enorm wichtige Rolle für den Tourismus.
  • Korallenriffe schützen unsere Küsten, da sie als Wellenbrecher dienen und das Risiko von Überschwemmungen und Erosion verringern.

Eines der grössten Aufforstungsprojekte wird von Ahmad Allahgholi aus Basel geleitet. Seit sieben Jahren widmet er sein Leben den Korallen.

Auch das Tauchparadies Malediven ist stark vom Korallensterben betroffen. Viele Korallenriffe im Inselstaat sind bereits abgestorben. Auf der Insel Soneva Fushi im Baa-Atoll hat das Hausriff infolge einer Korallenbleiche im Jahr 2016 viele Korallen verloren.

Korallenbleiche – wie entsteht sie?

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Bei einer Korallenbleiche verlieren die Korallen ihre Farbe. Der Grund dafür liegt in der engen Symbiose zwischen den Korallen und einer bestimmte Algenart, die ihnen ihre prächtige Farbe verleihen.

Wenn das Meerwasser eine zu hohe Temperatur erreicht, werden die Korallen gestresst und stossen die Algen ab. Dadurch wird das weisse Kalkskelett der Korallen sichtbar.

Eine kurzzeitige Korallenbleiche kann die Koralle überwinden, da sie in der Lage ist, neue Algenzellen aufzunehmen und somit die symbiotische Beziehung wiederherzustellen. Wenn der Zustand der Bleiche allerdings über einen längeren Zeitraum anhält, führt dies zum Absterben der Korallen und schliesslich zum Zusammenbruch dieses Ökosystems im Meer.

Um das Hausriff für die Gäste wieder aufzuwerten, hat das Luxushotel Allahgholis gemeinnützige Organisation «Coralive» beauftragt, einen Korallengarten zu errichten.

Metallkonstruktion unter Wasser, auf der Korallen befestigt sind.Der Korallengarten besteht aus etwa 430 solcher Tische.
Legende: Der Korallengarten besteht aus etwa 430 solcher Tische. SRF

Auf einer Fläche von rund 40 Hektaren sollen jährlich bis zu 50'000 Korallen gezüchtet und ausgepflanzt werden.

Vom Banker zum Korallengärtner

Ahmad Allahgholi wuchs in Basel als Sohn eines Iraners und einer Schweizerin auf. Er studierte Wirtschaft und Informatik und war Mitte dreissig bereits ein erfolgreicher Banker.

Nebenbei führte er die beliebte Messeturm-Bar in Basel, war ständig unterwegs und hatte wenig Zeit für sich selbst. Dieser Lebensstil führte 2016 zu einem Burnout und zwang ihn, sein Leben zu überdenken.

Allahgholi begab sich drei Jahre lang auf Reisen, um sich selbst, eine sinnvolle Aufgabe und einen neuen Lebensweg zu finden. In der wilden Natur Patagoniens fand er zu sich selbst. «Dort schloss ich einen Pakt mit der Natur. Die Natur hat mir mein Leben zurückgegeben, und jetzt widme ich mich ihr», erklärt er. In Madagaskar kam er zum ersten Mal als Freiwilliger mit der Korallenaufforstung in Kontakt. «Mit meinem letzten Geld auf dem Konto kaufte ich Korallen. Ich wusste, dass dies meine Berufung ist, und ich war bereit, das Risiko einzugehen.»

Ahmad Allahgholi auf dem Boot.
Legende: Heute ist Ahmad Allahgholi Gründer der Organisation «Coralive». SRF

Nach seiner Rückkehr in die Schweiz krempelte er sein Leben komplett um, verkaufte sein Hab und Gut, gründete die gemeinnützige Organisation «Coralive» und begann, Korallenriffe wiederherzustellen.

Anfangs waren es vor allem kleinere Projekte, wie beispielsweise in Madagaskar, wo er für die ärmsten Menschen einen Korallengarten erstellte. «Die Menschen dort sind auf ein gesundes Korallenriff angewiesen. Es schützt ihre Küsten und dient als Nahrungsquelle», erklärt Allahgholi. Dann erhielten sie Ende 2021 eine Anfrage von den Malediven.

Zerstörung eines Korallenriffes für noch mehr Tourismus 

In der Nähe der Hauptstadt Male baut der Staat einen neuen Handelshafen für wirtschaftlichen Aufschwung und noch mehr Tourismus. Durch den Bau und um Land zu gewinnen, wird dort ein Riff zugeschüttet und sämtliche Korallen würden komplett absterben. Ahmad Allahgholi und sein Team haben davon erfahren, und es war sofort klar, dass sie diese Korallen retten wollen.

Nun dient also der Korallengarten vorerst als Zwischenlager. Seit über einem Monat bringt ein Fischerboot täglich rund 500 Korallen aus der Region Male.

Ahmad Allahgholi und sein Team auf einem Boot.
Legende: Ahmad Allahgholi und sein Team laden die Korallen aus und platzieren jede einzelne auf den Tischen im Korallengarten. SRF

Die transportierten Korallen werden von Allahgholi und seinem Team ausgeladen und im Korallengarten untergebracht.

Ist es wirklich so einfach, ein Riff zu verpflanzen?

Die Korallen haben den Transport gut überstanden. In ein paar Monaten sollen sie dann ins Riff gepflanzt werden. Aber ergibt es überhaupt Sinn, ein Riff an einem Ort wiederherzustellen, an dem das ursprüngliche Riff durch eine Korallenbleiche abgestorben ist? 

«Wir haben das Glück, dass die transportierten Korallen in relativ flachem Wasser gewachsen sind. Sie haben sich also bereits an höhere Temperaturen gewöhnt», erwidert Allahgholi . «Deshalb besteht eine grössere Chance, dass sie überleben werden.»

Korallenlaichen

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Das sogenannte «Coral Spawning» ist eines der spektakulärsten Reproduktionsereignisse in der Natur und findet nur ein- bis zweimal im Jahr statt, abhängig von der Wassertemperatur, der Windgeschwindigkeit und dem Mondzyklus.

Beim Laichen geben die Korallen gleichzeitig ihre Eier und Spermienbündel (Laich) ins Wasser frei. Diese Bündel steigen dann langsam an die Oberfläche, wo der Befruchtungsprozess beginnt.

Nicht nur das erhöht die Erfolgschancen der Aufforstung, sondern auch die Tatsache, dass die Korallen im Korallengarten am Ende des Projekts laichen. Das Korallenlaichen ist ein äusserst seltenes Ereignis, das nur ein- bis zweimal im Jahr stattfindet.

Warum nachts?

Das Korallenlaichen erfolgt nachts, wenn Planktonfresser schlafen, was den Ei- und Spermienbündeln eine grössere Chance auf Befruchtung und Überleben gibt. Wenn dies gelingt, setzen sich die befruchteten Eier auf dem Meeresboden ab und entwickeln sich schliesslich zu Korallen.

«Das ist wie ein Sechser im Lotto. Diese Korallenart existiert nicht mehr in diesem Atoll, und wenn sie jetzt laichen, haben wir sie ins Atoll zurückgebracht», freut sich Ahmad Allahgholi. 

Ein paar Monate später jedoch folgte die Ernüchterung. Rund die Hälfte der transportierten Korallen wurde zerstört. Stürme, hohe Wassertemperaturen und schlechte Wasserqualität führten zum Ausbruch einer Krankheit und letztendlich zu einer Korallenbleiche.

Korallenbleiche auf Korallen im Korallengarten.
Legende: Entwicklung der Korallenbleiche im Korallengarten. SRF

Viele der Korallen auf den Tischen sind ausgebleicht. Unermüdlich versucht das Team, die überlebenden Korallen zu retten, indem sie die von der Krankheit befallenen Stellen entfernen.

Die Hälfte hat überlebt. Aus ihnen züchten Ahmad Allahgholi und sein Team «Superkorallen». Korallen, die eine Bleiche überlebt haben, sind widerstandsfähiger und könnten somit höheren Temperaturen standhalten. Allahgholi bleibt hoffnungsvoll.

SRF 1, 17.05.2023, 21:00 Uhr

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