Ende 1982 bahnt sich in der Schweiz eine wirtschaftliche Katastrophe an: Die Uhrenindustrie, der drittwichtigste Exportzweig, ist am Ende. 60’000 Menschen haben bereits ihren Job verloren, das heisst zwei Drittel der Arbeitsplätze sind innert zehn Jahren verschwunden. 1970 beschäftigt die Uhrenindustrie noch knapp 90’000 Menschen.
Die Juraregion – hier ist die Uhrenindustrie vor allem beheimatet – steht vor einer wirtschaftlichen Katastrophe. In vielen Dörfern sind die Uhrenfabriken die einzigen Arbeitgeber – wer den Job verliert, findet keinen Ersatz.
Anfang der 80er Jahre hat die japanische Uhrenindustrie die Schweiz überholt. Insbesondere bei der neu entwickelten Quarz-Uhr sind die Japaner überlegen. Zwar entwickelt die Schweizer Uhrenindustrie die erste serienreife Quarz-Armband-Uhr. Doch die Vermarktung klappt nicht so richtig. Die Japaner überholen die Schweiz – auch dank Massenproduktion.
Die zwei wichtigsten Schweizer Uhrenkonzerne, die SSIH und die ASUAG, können die Löhne nur noch dank kurzfristiger Bankkredite bezahlen.
Viele denken, der Konkurrenzkampf gegen Japan sei verloren. So wie die deutsche Kameraindustrie weitgehend von den Japanern verdrängt wurde, so sei es nun auch um die Schweizer Uhr geschehen. Der drittwichtigste Exportzweig vor dem Aus, ein Stück Schweizer Industrietradition am Ende.
Eine waghalsige Idee
Die Banken sind nicht mehr bereit, weitere Kredite zu sprechen. Stattdessen prüfen sie eine waghalsige Idee: Zwei grosse Unternehmensgruppen, in denen viele, kleine Uhrenfirmen organisiert sind, zu einem Konzern zu verschmelzen. Und so den japanischen Uhrenkonzernen, die industriell viel günstiger produzieren, die Stirn zu bieten. Eine riskante Strategie, viele glauben, sie gäbe keinen Sinn.
Walter Frehner, damals Generaldirektor beim Bankverein (heute UBS) und Peter Gross, damals Generaldirektor der Schweizerischen Bankgesellschaft (heute ebenfalls UBS) versammeln im Januar 1983 einige Vertraute in Interlaken. Eine Geheimsitzung im noblen Hotel Viktoria-Jungfrau.
«Alles unter einer Kutte»
Sie diskutieren drei Szenarien, um die Uhrenindustrie zu retten, alle unter Codenamen. «Eiger» für eine Mini-Lösung, «Jungfrau» und «Mönch» für die Maxi-Lösung. Schliesslich entscheiden sie sich für «Mönch» oder, wie Walter Frehner sagt: «Alles unter einer Kutte»: Fusion der beiden Unternehmen SSIH (Omega und Tissot) und ASUAG (Rado, Longines sowie vor allem auch Uhrwerke).
Die Fusion hatte Erfolg, heute ist die Schweizer Uhrenindustrie wieder unangefochten Weltspitze. Nach der erfolgreichen Sanierung explodiert ab 2001 der Erlös aus dem Verkauf, während die Zahl der verkauften Uhren praktisch gleich bleibt.
Fazit: Heute produziert die Schweizer Uhrenbranche weniger Uhren als vor der Krise, aber dafür teurere.
Nicolas Hayek war eine Schlüsselfigur für diesen Erfolg. Anfänglich war er nur als Berater für die Banken tätig. Im Jahr 1985 übernahm er mit anderen Investoren zusammen die Mehrheit am fusionierten Konzern.
Sein Engagement war mitentscheidend, damit sich die Uhrenindustrie wieder erholte. Schon bei seinem Einstieg als Berater bezeichnete er die Schweizer Uhrenindustrie als «schlafender Gigant».
1985 verkauften die Banken, die eigentlich gegen ihren Willen Besitzer des neu fusionierten Uhrenkonzerns wurden, die Mehrheit an Nicolas Hayeks Investorengruppe. Das Konzept gelang auch deshalb, weil Nicolas Hayeks Team die neue Swatch so erfolgreich vermarktete.
«Die grösste industrielle Rettungsaktion in der Schweizer Wirtschaftsgeschichte», bilanziert heute zufrieden lächelnd Walter Frehner. Einer der zwei Swatch-Erfinder, Jacques Muller, ist immer noch im Konzern tätig.
Es sei das Verdienst von Hayek, diesen schlafenden Giganten geweckt zu haben, sagt Jean-Claude Biver. Biver seinerseits hat auch grosse Verdienste um die Rettung: Ihm gelang es damals, das Erbe der mechanischen Uhr aufrechtzuerhalten. Und basierend darauf gelang der schweizerischen Uhrenindustrie ein beispielloses Revival.