Als ich Grossmutter wurde, haben mir alle gratuliert und mich gleich anschliessend gefragt, ob ich denn nun meine Arbeit reduzieren und regelmässig hüten würde. Das irritierte mich. Und trotzdem bot ich meiner Tochter an, meinen Enkel einen Tag in der Woche regelmässig zu hüten. Beziehungsweise, mein Mann und ich sagten, wir würden hüten.
Doch in der Realität war der Grossvater meist am arbeiten und ich somit alleine zuständig. Ich stiess rasch an meine Grenzen. Einjährige Babys, so herzig sie sind – es war sehr anspruchsvoll. Aber statt darüber zu reden, war ich immer noch der Meinung, ich müsste diese Aufgabe erfüllen. Schliesslich arbeiten Tochter und Schwiegersohn, und sie sollten sich auf uns verlassen können.
Erneute Doppelbelastung
Viele meinen, Grosseltern seien pensioniert, hätten eine Menge freie Zeit und würden liebend gerne Enkel hüten. Das stimmt sicher für einige. Doch Frauen werden im Schnitt zwischen 53 und 55 Grossmutter, da sind viele noch berufstätig. Also meist kaum freie Zeit. Im Gegenteil: Frauen in meinem Alter laufen damit bereits zum zweiten Mal in eine Doppelbelastung. Haben die meisten von uns doch schon gearbeitet, als die eigenen Kinder klein waren – und nun noch einmal.
So selbstverständlich es heute ist, dass junge Eltern berufstätig sind, gilt dies nicht für die Existenz von Betreuungsstrukturen. Wir hinken in der Schweiz dem Zeitgeist hinterher. Das merken auch die Grosseltern. Sie leisten in der Schweiz heute pro Jahr über 100 Millionen Betreuungsstunden. Umgerechnet entspricht dies etwa zwei Milliarden Schweizer Franken. Volkswirtschaftlich gesehen, eine enorme Summe.
In meiner Nachbarschaft, einem Quartier mit vielen jungen Familien, sehe ich frühmorgens Grossmütter und Grossväter mit Kindern auf dem Weg zur Schule. Sie hüten ihre Enkel einen oder sogar zwei Tage – jede Woche! Es scheint mir, als ob dies heute zum Pflichtprogramm von Grosseltern gehören würde. Ist es in Ordnung, dass sich der Staat, die Gesellschaft und die eigenen Kinder auf die Grosseltern stützen?
«Ja» sagen aber «Nein» meinen
Sich diesem Druck zu entziehen, ist nicht einfach. Weil man ja die Kinder entlasten will, für sie nur das Beste möchte und auch die Enkel über alles liebt. Bei meinen Recherchen bin ich manchen Grossmüttern begegnet, die «Ja» sagen, obwohl sie «Nein» meinen. Zu gross ist die Angst vor Ablehnung. Oft steht auch die Drohung im Raum: Wenn du dich nicht regelmässig um die Enkel kümmerst, kann keine Beziehung entstehen.
Offen über ihr Dilemma reden, tun nur wenige. Auch weil es, gesellschaftlich gesehen, nicht goutiert wird, wenn Grossmütter «Nein» sagen. Dann sind wir schnell bei den Raben-Grossmüttern. Zum Glück bin ich auf Frauen gestossen, die bereit waren, im Film darüber zu reden. Sie machen damit anderen Mut, dasselbe zu tun.
Grossmutter werden ist in der Tat etwas Grossartiges. Genauso toll finde ich, dass wir heute selber entscheiden können, wie wir die Rolle füllen.