Auf den Hochkaminen und hohen Gebäuden der beiden Städte Basel und Zürich zogen bis 2008 je zwei Wanderfalkenpaare ungestört ihre Jungen gross – ein Erfolg für den Naturschutz. Doch seit rund 8 Jahren treten in Basel und Zürich gehäuft Vergiftungsfälle bei Greifvögeln auf – allein in Zürich 17 Vergiftungen in den letzten 7 Jahren. Die Polizei vermutet systematische Giftkampagnen durch Taubenzüchterkreise: Internetportale und beschlagnahmte, höchst giftige Stoffe weisen darauf hin, dass diese Praktiken aus dem Balkan stammen. Ausschusstiere der Taubenzucht werden als sogenannte «Kamikaze»-Tauben mit Honig bestrichen und mit einem hochwirksamen Nervengift bepudert. Wenn die Greifvögel solche Tauben schlagen und fressen, sterben sie innert Minuten. Das Vergiften von Greifvögeln, die Tauben jagen, ist etwa in Serbien gängige Praxis, und dortige Vogelschützer warnen, dass sowohl diese Methode als auch die Gifte selbst aus dem Balkan an Gesinnungsfreunde in anderen europäischen Ländern exportiert werden.
Gift aus dem Balkan
Ein serbisches Team hat für «NETZ NATUR» in Serbien recherchiert und in Taubenzüchterkreisen gedreht. Bei weit über 20‘000 Taubenzüchtern und über einer Million gezüchteter Tauben im Jahr, sind Wettbewerbe mit besonderen, sehr hoch und ausdauernd fliegenden Tauben ein beliebter Nationalsport, bei dem es um viel Ehre geht. Inzwischen gibt es in mehreren europäischen Ländern eine solche Hochflieger-Szene, die auf den Balkan zurückgeht – auch in der Schweiz. Dieser Tauben-Sport ist mit dem Vorkommen von Greifvögeln, die sich auf andere Vögel als Nahrung spezialisiert haben, kaum vereinbar. Und so fordern denn Taubenzüchter-Kreise in Siedlungsnähe Greifvogel-freie Zonen – oder sie sorgen durch illegale selbst dafür, wie in den Balkanländern, wo sie nach Angaben von Vogelschützern den Wanderfalkenbestand zu 50 Prozent und die äusserst bedrohten Saker-Falken sogar zu 70 Prozent vernichtet haben.
Notwendiger Schutz
Wie immer, wenn Interessen verschiedener Kulturen und Traditionen aufeinander prallen, sind auf beiden Seiten viele Emotionen und schnell auch Populismus im Spiel. Doch unabhängig davon stehen weder die Rechtslage in der Schweiz, noch die biologische Notwendigkeit des Schutzes der Wanderfalken als bedrohte Art zur Diskussion. In diesem Sinne sind, mit allem Verständnis für betroffene Taubenzüchter, illegale Vergiftungsaktionen von Greifvögeln, die massgeblich zum derzeitigen Verschwinden der Wanderfalken aus Basel und Zürich beigetragen haben, nicht nur von Gesetzes wegen, sondern auch biologisch problematisch. Dies selbst, wenn Wanderfalken in den Städten mit besonderen Nistkästen künstlich gefördert werden und auf eine unnatürlich hohe Population von Nahrungstieren – Strassentauben, Stare oder Spatzen zurückgreifen können, die unsere Städte besiedeln. Die Jungen dieser städtischen Falkenpaare bedeuteten eine nicht zu unterschätzende Populationsreserve für die Wanderfalken in natürlichen Lebensräumen im Jura und in den Alpen, wenn diese dort durch die Intensivierung der Landwirtschaft und natürliche Entwicklungen unter Druck geraten und erneut in ihrem Fortbestand bedroht sind.