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SRF DOK Religion als Symbol für Identität

Der «DOK»-Film «Verführt im Namen Allahs – Europas junge Salafisten» zeigt, wie Prediger mit einer ultrakonservativen Auslegung des Korans junge Menschen gewinnen. Islamwissenschaftler Rüdiger Lohlker erklärt, wie kompliziert jedoch eine Interpretation des Korans ist.

Zur Person

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Rüdiger Lohlker studierte Rechtswissenschaft, Arabistik, Islamwissenschaft, Neuiranistik, Publizistik, Kommunikations- und Politikwissenschaft. Seit 2003 ist er Professor für Orientalistik an der Universität Wien.

SRF DOK: Warum fasziniert junge Menschen, die eigentlich in einer säkularisierten Welt aufgewachsen sind, die radikale Auslegung des Korans?

Rüdiger Lohlker: Religion wird immer mehr zu einem Set an Symbolen, mit dem Identität markiert wird. Ein vereinfacht und ein einseitig gewaltorientiert gefasstes Koranverständnis ist ein sehr starkes Symbol.

Sie sagen, dass der Koran von Nuancen lebt, und dass diese feinen Unterschiede den jeweiligen Suren eine ganz andere, friedlichere Bedeutung geben. Werden diese Nuancen von den Predigern gelehrt?

Es gibt eine starke Minderheit von Predigern in Europa, die so etwas nicht können in Ermangelung einer entsprechenden Ausbildung oder dies auch nicht wollen.

Wo wird eine nuancenreiche Auslegung des Korans gelehrt?

Indonesien

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Mit über 191 Millionen Muslimen ist Indonesien der Staat mit der grössten muslimischen Bevölkerung weltweit. Die grössten zwei islamischen Organisationen sind dort «Nahdatul Ulama» mit etwa 50 Millionen Mitgliedern und die «Muhammadiya» mit rund 30 Millionen.

In Europa entwickelt sich solch eine Auslegung an den neuen islamisch-theologischen Instituten, zum Beispiel in Deutschland. International höchstens an einzelnen Instituten, auf breiterer Basis vielleicht in Indonesien.

Der indonesische Islam, beziehungsweise die grossen indonesischen Organisationen, fahren seit Jahren eine entschiedene Anti-Radikalisierungspolitik und stehen für die Erhaltung eines toleranten, pluralistischen Islams in einer mystischen Tradition ein. Sicherlich ist nicht alles ideal – wo ist es das schon? Aber es ist die weltweit engagierteste Initiative von muslimischer Seite. Und dies bedingt eben auch ein Koranverständnis im genannten Sinne.

Wo sehen Sie die grössten Missverständnisse zwischen der westlichen, säkularisierten Welt und dem Islam?

Erstens, dass Säkularität automatisch schlecht für Religion ist. Und dass Religion wiederum automatisch schlecht für Säkularität sein muss. Ein weiteres Problem ist, dass zu viel nach Identität gesucht wird und nicht nach Gemeinsamkeit.

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