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SRF DOK Wohnen im Big Apple

Der Film «Hom(m)eless» handelt von Mark Reay, einem Obdachlosen in New York. Tagsüber smartes Männermodel, sieht man ihm nicht an, dass er die Nächte draussen auf einem Dach verbringt. Denise Langenegger war SRF-Korrespondentin in New York. Sie pendelt bis heute zwischen Zürich und der US-Metropole.

Zur Person

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Denise Langenegger wanderte 1998 nach New York aus und war während zehn Jahren SRF-Korrespondentin in den USA. Seit 2010 arbeitet sie auch im Team von «DOK». Sie lebt und arbeitet in Zürich und New York.

Ich hatte Glück. Als ich vor 18 Jahren nach New York auswanderte, lebte ich auf einem Dach mit Sicht auf den Central Park. Gediegener als Mark Reay, der im Dokumentarfilm «Hom(m)eless» auch auf einem New Yorker Dach schläft. Mein Zuhause war nicht eine heimliche Ecke mit einer Plastikdecke, sondern ein kleines, altes Penthouse mit einer riesigen Dachterrasse. Mein Schweizer Lebenspartner teilte diese Zweizimmerwohnung mit einem gemeinsamen Freund. Mein Partner und ich schliefen im Wohnzimmer neben der offenen Küche. Der gemeinsame Freund im Zimmer nebenan, das wir durchqueren mussten, um ins Bad zu gelangen. Er wiederum schlich an unserem Bett vorbei, um morgens Kaffee zu kochen. Es war eine enge Dreier-WG, ich musste mich daran gewöhnen, aber es war dennnoch grossartig. Ich lebte in New York, einer der aufregendsten Städte der Welt, voller Inspiration und Möglichkeiten.

Wohnung dank Beziehungen

Meine zweite Wohnung konnte ich von einem Bekannten eines Bekannten übernehmen. Das war die einzige Möglichkeit, eine bezahlbare Bleibe in Manhattan zu finden. Die meisten Freunde zogen zu dieser Zeit (1999) nach Williamsburg in Brooklyn, wo die Wohnungen grösser und noch etwas billiger waren. Ich hatte wieder Glück. Es war eine Einzimmerwohnung inmitten von Manhattan. Nur, als ich dort einzog, waren die beiden Katzen des Vormieters immer noch dort. Es war eine kleine Dreier-WG (mit zwei Vierbeinern), ich musste mich daran gewöhnen, und es war nicht grossartig. Ich nahm es in Kauf, denn ich wollte in New York mit seiner einmaligen Energie und Vielseitigkeit leben und arbeiten. Der Vormieter holte die Katzen erst ab, als ich neun Monate später auszog.

Seither wohne ich in einer kleinen, alten Loft im East Village. Ich kann mir sie nur leisten, indem ich ein Zimmer vermiete. Es sind wechselnde Zweier-WGs, ich muss mich anpassen, aber es ist grossartig, denn aus dieser Wohnsituation entstehen wertvolle Freundschaften.

Der Schein trügt: Männer-Model Mark Reay im Film «Hom(m)eless» ist obdachlos
Legende: Der Schein trügt: Männer-Model Mark Reay im Film «Hom(m)eless» ist obdachlos SRF

Familien in Obdachlosenunterkünften

Selbst eine Vollzeitstelle ist in manchen Fällen keine Garantie mehr, dass sich die hart arbeitenden New Yorker eine Wohnung leisten können. Die steigenden Mieten – vor allem auch in Quartieren mit bisher bezahlbaren Wohnungen – und die stagnierenden Löhne machen es nicht nur für Träumer und Lebenskünstler immer schwieriger, hier zu leben, sondern auch für Familien. Mitte Dezember lebten 14’361 Familien in Obdachlosenunterkünften. Insgesamt sind es 59'568 Menschen, die temporär in Notunterkünften leben, 40 Prozent davon sind Kinder mit ihren Eltern oder einem Elternteil. Rechnet man auch die Menschen dazu, die auf der Strasse übernachten, wächst die Zahl insgesamt auf rund 75’000 Obdachlose – so viele wie in keiner anderen amerikanischen Stadt.

Der Druck auf Bürgermeister Bill de Blasio wächst. Sein Team unterstützt Familien mit Mietgutscheinen und handelt mit Immobilienbesitzern Deals für günstigere Wohnungen aus. Gleichzeitig verspricht de Blasio, bis in 15 Jahren 15’000 Sozialwohnungen zu schaffen...

New York lässt nicht los

Ein Leben in New York verlangt Entbehrungen und Beharrlichkeit. Dennoch nehmen Wahl-New Yorker wie ich die andauernden Herausforderungen, die unmöglichen Mieten, die manchmal mangelnde Lebensqualität und den vibrierenden Grossstadtdschungel gerne in Kauf. Denn New York empfängt einen immer mit offenen Armen und gibt viel zurück. Allen das Ihre, etwas, wovon sie kaum loskommen – und das ist der Grund, weshalb sie alle bleiben.

Obdachlosigkeit und Glamour in New York – Filmautor Thomas Wirthenson über seinen Film «Hom(m)eless»

Die Britische Folk-Rock-Band «Mumford & Sons» bebilderte ihren Song «Tompkins Square Park» mit Szenen aus der Dokumentation «Hom(m)eless».

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