Peter Hämmerli fällt auf. Ein gross gewachsener Mann. Sein Körper ist hager, das lässt den kahl geschorenen Schädel gewaltig wirken. In Zürich ist er uns in den vergangenen Jahren immer wieder begegnet. Kaum da, war er schon wieder weg. Ein Phantom.
Im Dezember 2015 folgen wir dem Obdachlosen bis unter eine Brücke. Wir kommen ins Gespräch und Peter zeigt bereitwillig sein «Heim». Es gibt eine Kochstelle, angefeuert mit Holz. In der Ecke eine provisorische Schlafstelle. In dutzenden von Plastikflaschen bunkert er Trink- und Waschwasser. Als Kühlschrank dient ein Plastiksack, der im Fahrtwind der wenige Meter nebenan vorbeirauschenden Autos und Lastwagen schwingt. Über uns erzittert der Asphalt unter dem Schwerverkehr. Der Lärm ist ohrenbetäubend. Von unserer Idee, eine Reportage über ihn zu machen, ist er wenig begeistert.
Tagesrhythmus und Rituale
Peters Alltag wird oft vom Wetter bestimmt. Bei Regen stehen Arbeiten unter der Brücke an: Holz spalten, Kleider flicken, Schuhe reparieren und Wasser besorgen. Und da ist noch das Lauftraining. Immer wieder. Er muss sich bewegen und dreht mit schnellen Schritten unter der Brücke seine Runden. So hält er sich fit, aber vor allem warm. Auffällig ist seine Reinlichkeit. Er wäscht sich mindestens dreimal pro Tag. Nichts hasst er mehr, als verschwitzt zu sein.
Schwierige Dreharbeiten
Peter Hämmerli besitzt kein Telefon. Mit ihm zu planen, ist sehr schwierig. Nach einiger Zeit entwickeln wir ein Gefühl dafür, wo sich Peter zu welcher Tageszeit in Zürich aufhalten könnte. Aber selbst wenn wir es schaffen, uns für einen Morgen zu verabreden, so macht uns Peters wechselhafte Stimmung schon mal ordentliche Striche durch die Rechnung. Da stehen wir mit dem Equipment und unser Protagonist hat keine Lust.
Zu einem Eklat kommt es im Sommer. Für einige Wochen haben wir uns nicht gesehen. Wir finden Peter Hämmerli an der Limmat beim Wäschewaschen, fangen an zu drehen und werden von ihm übel beschimpft. Uns ist klar: Wir haben eine Grenze überschritten und nicht gespürt, dass wir in dieser Situation auf die Kamera hätten verzichten müssen.
Da sich unsere Hauptfigur ungern an Abmachungen hält, drehen wir ab jetzt nach dem Zufallsprinzip: Wir heften uns an seine Fersen und schauen, was passiert. Das kostet uns letztendlich mehr Nerven und Drehtage, beschert uns aber so schöne Begegnungen wie bei einem Dreh in Höngg, als Peter animiert von einem Passanten angesprochen wird.
Es hat sich zwischen uns trotz allem so etwas wie Vertrauen entwickelt. Peter Hämmerli gewährte uns Einblicke in sein Leben, obwohl er eigentlich alles daran setzt, die Spuren seines Lebens zu verwischen. Einfach weil er die Menschen um sich herum nicht mehr aushält. Ein Leben, das, wie wir nach den Dreharbeiten wissen, wenig zu tun hat mit der grossen Freiheit und verklärtem Eremitendasein.