Was ist, wenn Jara stirbt? Diese Frage begleitet Familie Janouschek seit der Geburt des Zwillingsmädchens jeden Tag. Jara Janouschek erleidet vor der Geburt einen Sauerstoffmangel, kommt unheilbar krank zur Welt. Die Ärzte geben ihr ein paar Tage, maximal Wochen zu leben. Ihre eineiige Zwillingsschwester dagegen ist gesund.
«Ich wäre am liebsten aus dem Fenster gesprungen», beschreibt Mutter Nicole Janouschek den Moment, als sie erfährt, wie es um Jara steht. Sie habe immer noch Hoffnung gehabt, dass es vielleicht doch nicht so schlimm wäre.
Ich wäre am liebsten aus dem Fenster gesprungen.
Wegen des Sauerstoffmangels vor der Geburt wurde Jaras Grosshirn fast vollständig zerstört. Jara ist schwer behindert, kann sich nicht bewegen, kann nicht sprechen, nicht selbst essen. Sie leidet an Spastikanfällen, Dystonien und hat häufig starke Nervenschmerzen.
Jara wird seit der Geburt palliativ betreut und gepflegt. Ihre Eltern wollen ihr das Leben, das ihr bleibt, so gut wie möglich gestalten. Auch wenn keine Hoffnung auf Heilung besteht, soll Jara möglichst ohne Schmerzen leben dürfen.
Dafür werden immer wieder Operationen notwendig - ein grosses Risiko für das Mädchen und eine riesige emotionale Belastung für die Eltern.
Heute gibt es keine Prognosen mehr, wie lange Jara leben wird. Um Jara und ihre Krankheit dreht sich das Familienleben. Mit dem kranken Mädchen und den zwei gesunden Geschwistern ist es für die Eltern ein Balanceakt zwischen unheilbar und mitten im Leben.
Zu schaffen ist dies nur mit der Hilfe von Familie und Freunden und der täglichen Unterstützung der Kinder-Spitex. Dennoch ist die Familie zusätzlich auf Spenden privater Organisationen angewiesen, um das Leben mit Jara zu meistern.
Für die Ehe und die Paarbeziehung der Eltern bleibt oft keine Zeit.
Für die Eltern gilt, Jara muss nicht um jeden Preis leben. Jara darf sterben, wenn sie sterben möchte. Die Eltern haben akzeptiert, dass ihr Zwillingsmädchen nie gesund sein wird. Das war ein langer und schmerzhafter Prozess. Nicole und Jan Janouschek haben sich entschieden, dass ihr Kind bei schweren Komplikationen während Operationen nicht reanimiert würde.
Bei einem Herzstillstand würde sie also nicht wiederbelebt. Für diese schwierige Entscheidung mussten sich die Eltern immer wieder erklären, auch gegenüber andersdenkender Ärzte, die den sogenannten «REA-Nein»- Entscheid nicht gutheissen wollten.
Solange Jara lebt, wollen die Eltern und Geschwister die Zeit mit ihr geniessen, sie möglichst in den Alltag der Familie integrieren. Die Familie versucht, auch den gesunden zwei Kindern gerecht zu werden, indem sie Jara in Freizeit-Aktivitäten ganz selbstverständlich integriert.
Dennoch muss sich Mutter Nicole nicht selten sagen lassen, sie vernachlässige ob der intensiven Betreuung von Jara die anderen Kinder.
Dieser Vorwurf schmerzt, doch Tatsache ist, Mutter Nicole verbringt mit Jara unzählige Tage und Nächte pro Jahr bei Ärzten und in Spitälern. Nicht selten ist dann auch Zwillingsschwester Jael dabei, die ihre kranke Schwester und die Mutter oft sehr vermisst.
Jara wird ganz im Sinne der palliativen Medizin betreut. Ihre Lebensqualität ist wichtiger als ihr Leben um jeden Preis. Ziel ist es nicht, das Leben von Jara mit allen möglichen Mitteln zu verlängern, sondern es so zu gestalten, dass es für die ganze Familie lebenswürdig ist.
«Wir machen, was wir am besten finden», sagt Mutter Nicole. Und dies sei, dem Leben so viel Qualität wie möglich zu geben.