Arbon am Bodensee ist Pionier in Sachen Smart Meter. Die Stadt mit ihren 14'000 Einwohnern hat als erste in der Schweiz flächendeckend diese intelligenten Zähler installiert. Stadtammann Andreas Balg hat sogar zwei – einen zu Hause und einen im düsteren Gewölbekeller des mittelalterlichen Stadthauses – und er lobt die neuen Möglichkeiten: «Wir können online die aktuellen Tagesdaten, Durchschnittswerte, Vergleichswerte anschauen – das war bisher nicht möglich.»
Neue Erkenntnisse zum Verbrauch
Ein Smart Meter misst den Stromverbrauch permanent und meldet ihn im Viertelstundentakt dem lokalen Energieversorger Arbon Energie. Dieser bietet den Kunden die Möglichkeit, den eigenen Stromverbrauch über eine Smartphone-App zu beobachten und darauf zu reagieren. Andreas Balg hat dabei einiges über seinen Stromverbrauch gelernt. Zum Beispiel stellte er fest, dass der Smart Meter einen Stromverbrauch anzeigte, obwohl er kein Gerät aktiv benutzte.
Seither setzt er stromsparendere Lampen ein und Geräte, die im Standbymodus liefen, sind ausgeschaltet. Nicht nur er selbst, sondern auch sein Energieversorger weiss anhand der Stromdaten sogar, wann jemand zu Hause ist oder die Waschmaschine läuft. Doch das kümmert Andreas Balg nicht: «Grundsätzlich bin ich ein offener Mensch. Ich habe nichts zu verbergen, auch in diesem Bereich nicht», sagt er.
Präzise Prognosen für Versorger
Die Daten fliessen nur ein paar hundert Meter zum zuständigen Stromversorger Arbon Energie. Dort sieht man auf einem grossen Bildschirm in Echtzeit, wo im städtischen Netz wie viel Strom fliesst und wo es Probleme gibt. Silvan Kieber, der Leiter Marketing und Vertrieb versichert, dass die Daten nur anonym verwendet werden.
Für Arbon Energie, so Kieber, seien die Stromverbrauchsdaten aller angeschlossenen Haushalte wichtig – vor allem für Prognosen des anstehenden Stromverbrauchs: «Wir sparen so Geld. Je genauer die Messdaten, desto genauer unsere Prognosen und desto genauer können wir Strom einkaufen. So benötigen wir deutlich weniger Ausgleichsenergie.»
Und die ist teuer. Wie viel Geld genau gespart wird, kann Silvan Kieber nicht sagen, weil die Smart Meter erst seit diesem Jahr in Betrieb sind. Er geht jedoch von einem sechsstelligen Betrag aus. Bei einem Reingewinn von knapp 340'000 Franken im letzten Jahr ist das kein Klacks.
Neue Technologie, neue Konkurrenten
Klar, dass Arbon Energie sich diese Einsparungen nicht entgehen lassen will; insbesondere, nachdem die Margen im Stromgeschäft geschmolzen sind wie Schnee an der Sonne. Doch der neue Datenfluss hat auch neue Mitbewerber auf den Plan gerufen. Zum Beispiel die branchenfremde Swisscom. Deren Tochter Energy Solutions spendiert Privatkunden, die mit einer Wärmepumpe heizen, einen zusätzlichen Smart Meter.
Der Chef der Swisscom-Tochter, Frederic Castaldo erklärt: «Wir installieren einen Smart Meter, der die Leistung der Wärmepumpe jede Sekunde misst und diese Daten werden an unsere Zentrale übertragen.» Bei den Kunden erscheinen diese Daten auf dem Smartphone, mit dem sie so ihre Heizung auch steuern können.
Als Gegenleistung erhält die Swisscom vom Kunden die Erlaubnis, die Wärmepumpe bis zu einer Viertelstunde früher oder später ein- oder auszuschalten, je nachdem, wie gross der Strombedarf im Netz gerade ist. So hilft Swisscom dem Netzbetreiber Swissgrid die Verbrauchsspitzen zu glätten und erhält dafür Geld – je mehr Kunden und je grösser die Datenmenge, desto besser. Man stehe jedoch erst am Anfang erklärt Castaldo: «Wir haben schon leicht über 4000 Kunden, streben aber rund 70‘000 an. Wir sind also noch weit weg vom Ziel, aber auch nicht mehr bei 0 wie vor zwei Jahren.»
Smart Meter und Smart Grids
Kritik von den Energieversorgern
Überhaupt keine Freude an dieser Geschäftsidee haben verschiedene Energieversorger. Silvan Kieber von Arbon Energie beispielsweise stört sich daran, dass dritte die Stromverbrauchsdaten anzapfen und den Verbrauch steuern: «Wir haben den gesetzlichen Auftrag, die Netze stabil und sicher zu betreiben», sagt er, «es wird schwierig, wenn dritte Mitbewerber in unser Netz eingreifen. Das kann dazu führen, dass wir irgendwo die Leistung hochfahren und andere fahren die Leistung hinunter. Dann ist das Ganze nicht mehr kosteneffizient.»