SRF: Romano Agola, Sie haben am Morgarten Dolche, Pfeilspitzen, Sporen und Münzen gefunden, die in die Zeit um 1315 passen. War das der Fund Ihres Lebens?
Romano Agola: Es war sicher das grösste und spannendste Projekt – und wohl auch mein historisch bedeutendster Fund. Doch wichtiger für mich persönlich war ein keltischer Münzprägestempel, den ich vor knapp 20 Jahren auf dem Mont Vully im Kanton Fribourg gefunden habe.
Was macht diesen Stempel so besonders?
Vorher war ich illegal unterwegs, habe meine Funde aber stets genau dokumentiert und abgegeben. Der Stempel gab mir schliesslich die Akzeptanz der Wissenschaft: Nach diesem Fund haben mich Stefan Hochuli von der Kantonsarchäologie Zug und der Berner Professor Werner Stöckli zu sich geholt und gefördert (siehe Video unten).
Wie oft finden Sie etwas von Wert oder Bedeutung?
Früher habe ich vielleicht alle paar Jahre eine römische Münze oder ein Hufeisen entdeckt. 99,9 Prozent meiner Funde waren Abfall. Allerdings habe ich jeden Fund in meinem Gedächtnis abgelegt und mich zwangsläufig gefragt: Warum findet man hier Münzen? Oder da ein Hufeisen? Oder dort Abfall? Dadurch bin ich heute viel erfahrener und habe gelernt, mich mit dem Gelände auseinanderzusetzen. Doch es gehört auch immer Glück dazu.
Und wie entscheiden Sie, wo Sie nach archäologischen Fundstücken suchen?
Das wichtigste ist jeweils die Fragestellung: Wie kämpften die Schwyzer gegen die Habsburger? Wo kamen die Römer her? Oder wo siedelten sich die Kelten an? Ich muss immer auch fragen: Wie sah es dort zu dem Zeitpunkt aus, der mich interessiert?
Welche Quellen benutzen Sie, um die geografische Geschichte eines Gebiets aufzuspüren?
Ich rede mit den Bauern, denn die kennen ihre Gegend am besten. Vor allem aber studiere ich Kartenmaterial und Satelliten-Aufnahmen. Sie werden immer besser und vereinfachen meine Arbeit extrem. Ich kann mich heute ins Gelände einarbeiten, bevor ich überhaupt da war.
Was sagten Ihnen die Satellitenbilder am Morgarten?
Das Gebiet um den Ägerisee herum war im Jahr 1315 Sumpfgebiet – die Gebiete im Tal brauche ich also nicht absuchen. Das Hanggelände in Talnähe ist auf den Satelliten-Aufnahmen total zerklüftet. Also sind die Habsburger eher oben am Hang der Bergkette entlang gezogen. Dann suche ich zum Beispiel nach Anzeichen, dass der Boden in Bewegung war – etwa nach Hangrutschen im Gelände.
Welche Rolle spielt diese Bewegung bei Ihrer Suche?
Das Gelände gibt mir die Funde. Wird der Boden umgewälzt, geraten tiefer liegende Objekte näher an die Oberfläche. Deshalb halte ich auch Ausschau nach bestimmten Pflanzen, die bevorzugt auf umgewälztem Boden wachsen. Und ich meide weichen Laubboden: Der ist zwar angenehm zum Laufen, aber besteht aus einer so dicken Schicht Humus, dass ich dort nichts finden werde.
Und warum suchen Sie nicht tiefer in der Erde?
Ich grabe nie tiefer als etwa 30 Zentimeter: Einerseits entspricht das der Reichweite der Metall-Detektoren. Andererseits sollen die tiefer liegenden Objekte auch lieber geschützt im Boden bleiben – gelangen sie an die Oberfläche, könnte die Information, die sie vielleicht 2000 Jahre lang aufbewahrt haben, verloren gehen.
Und warum suchen Sie einen Weg am Hang, den die Habsburger womöglich genommen haben – und nicht etwa das Schlachtfeld?
Ich setze weiter vorne an und überlege mir, was der Schwyzer, der sein Land verteidigen wollte, damals wohl gemacht hat. Wer in Unterzahl ist, präsentiert sich nicht gleich auf offenem Feld. Also suchte ich Punkte, von denen aus man weit in die Ebene blicken kann. Und ich suche nach Gegenden, die sich für einen Hinterhalt eignen – in denen sich die militärische Formationen des Habsburger Heeres sprengen lassen. An solchen Orten geht bei einem Kampf auch immer etwas verloren.
Sie erarbeiten sich also eine eigene Strategie der «Kriegsführung»?
Wenn ich eine Strasse suche, mache ich eine Reise. Bei einem Pass in den Bergen schaue ich zum Beispiel nach Zugängen zu Wasser, denn auf tagelangen Märschen müssen Menschen und Tiere trinken. Wenn ich aber ein Schlachtfeld suche, ziehe ich in den Krieg und überlege mir Szenarien: Wenn die einen von hier kommen, wo lauern die anderen? Wie reagieren die einen darauf? Und so weiter.
Verstehen Sie auch etwas von der Arbeit der Archäologen?
Ich mache meine Arbeit nur gut, wenn ich in der Lage bin, die Objekte zumindest grob einzuordnen. Nur so weiss ich, welchen Fund ich dokumentieren soll und was moderner Metallschrott ist. Allein bei der Morgarten-Suche habe ich etwa 75 Kilogramm Metall aus dem Boden geholt – und nur ein Bruchteil war antik. Doch ich stelle die Objekte nur zur Verfügung: Ihre Bedeutung bekommen sie erst durch die Arbeit der Archäologen und Historiker.
Sind Sie im Vorfeld Ihrer Suche davon ausgegangen, dass die Schlacht von Morgarten stattgefunden hat?
Ich kann nur nach Hinweisen für ein historisches Ereignis suchen, wenn ich davon überzeugt bin, dass es auch etwas zu finden gibt. Und ich habe am Morgarten etwas gefunden. Allerdings weiss ich nicht, ob die Objekte wirklich mit der Schlacht in Verbindung stehen.
Wen werden die Funde davon überzeugen, dass die Schlacht von Morgarten stattgefunden hat?
Wer vorher Zweifel hatte, wird weiter zweifeln. Ich habe schliesslich kein Schlachtfeld gefunden. Letztlich sind es erst einmal nur Objekte, die in die Zeit passen. Aber bei Dolchen, Sporen und Pfeilspizten ist mein persönlicher Verdacht, dass sie von der Schlacht am Morgarten stammen, schon gross. Immerhin habe ich in 33 Jahren nur einen einzigen Dolch gefunden – und das an einer Burg, die nachweislich unter Angriff stand.
Hat der Fund Ihre Einschätzung der Geschichte verändert?
Ich bin losgegangen, um die Frage zu beantworten: «Gab es diese Schlacht?» Ich habe sie nicht beantwortet.
Geht die Suche am Morgarten weiter?
Ich würde gerne nächstes Jahr weiter forschen und andere Gegenden in der Region absuchen, die wir dieses Mal nicht in Betracht gezogen haben. Aber das hängt nicht nur von mir ab. Ein solches Vorhaben muss auch finanziert werden.
Hat Sie jetzt das Morgarten-Fieber gepackt?
Es ist etwas ganz Besonderes, wenn du anfängst zu graben und gleich erkennst, dass es sich um einen Dolch handeln muss. Da schlägt das Herz sofort schneller. Aber es ist auch grossartig, eine römische Münze zu finden und zu wissen: Damit hat vor 2000 Jahren jemand bezahlt und sie irgendwann verloren. Nicht das Objekt ist das eigentlich Interessante für mich – sondern die Geschichte dahinter.