Kernfusion: So funktioniert's
Die Energiequelle unserer Sonne und der Sterne ist Kernfusion. Dabei verschmelzen Wasserstoffatome und setzen Unmengen an Energie frei. Das Resultat sehen wir als Licht sehen und fühlen es als Wärme.
Die Stromproduktion
Um auf der Erde mit Kernfusion Strom produzieren zu können, muss ein mehr als 100-Millionen-Grad heisses Plasma hergestellt werden, in dem die Wasserstoffatome fusionieren. Dafür braucht es einen Fusionsreaktor.
Daran scheitert es bislang
Bisher wird in die Kernfusion noch mehr Energie hineingesteckt, als man heraus bekommt. Der Grund: Das Plasma muss auf über 100 Millionen Grad Celsius erhitzt werden. Und diese Hitze muss konstant gehalten werden, damit sich das Plasma nicht abkühlt und die Reaktion aufhört. Doch heutige Versuchsreaktoren können die extreme Temperaturen noch nicht gut genug abschirmen. Länger als einige Sekunden konnte das Fusionsfeuer bisher nicht aufrecht erhalten werden.
Wann kommt der Strom?
Von einer kommerziellen Nutzung ist man noch Jahrzehnte entfernt. Derzeit wird im südfranzösischen Cadarache der internationale Forschungsreaktor Iter gebaut. Er soll der grösste Kernfusionsreaktor der Welt werden; die experimentelle Nutzung wird mehrere Jahrzehnte dauern. Ab 2027 sind die ersten geplant. Mit Iter soll erstmals bedeutend mehr Energie gewonnen werden als die aufgewendete Heizleistung verbraucht. Mit einem Fusionsreaktor, der tatsächlich Strom ins Netz einspeist, rechnen die Forscher frühestens 2050.
Die Kritik: zu teuer, zu spät
Heute deckt die Welt ihren Energieverbrauch zu über 90 Prozent durch Kohle, Erdöl und Erdgas. Die Internationale Energieagentur erwartet in den kommenden 20 Jahren eine weitere Zunahme der fossilen Energieerzeugung. Kritiker der Fusionstechnologie monieren die Milliardeninvestitionen in diese Art der Energiegewinnung: Selbst wenn erste Fusionskraftwerke bereits ab 2050 Strom ins Netz einspeisen könnten, komme die Umsetzung der Vision zu spät, um unsere Energie- und Klimaprobleme zu lösen.
Erste Nutzung: die Wasserstoffbombe
1952 gelingt die erste grosse Kernfusion auf der Erde: die Wasserstoffbombe. Sie ist eine Reaktion auf die Atombombe der Sowjetunion. 1949 kündigte US-Präsident Harry S. Truman ein Schnellprogramm für die Entwicklung der Wasserstoffbombe an. Der Physiker Edward Teller entwickelt schliesslich «Ivy Mike», die erste Wasserstoffbombe. Die freigesetzte Energie der Detonation auf einer einsamen Insel wird auf 10,4 Millionen Tonnen konventionellen Sprengstoffs geschätzt – eine unvorstellbare Zerstörungskraft, die mehr als 500 Bomben vom Hiroshima-Typ entspricht.
Vorteile gegenüber der Atomenergie
In Atomkraftwerken entstehen radioaktive Spaltprodukte, die noch mehrere hunderttausend Jahre radioaktiv sind. Gerät ein Reaktor ausser Kontrolle, kann es zu einer Kettenreaktion kommen und die Kernspaltung ist nicht mehr steuerbar: Kernschmelze und ein Gau drohen.
Das ist bei der Kernfusion nicht möglich. Wenn der Energiefluss in einem Reaktor ausser Kontrolle gerät, kühlt sich das Plasma sofort ab und die Fusion stoppt. Ausserdem entstehen keine radioaktiven Brennstoffabfälle – das Fusionsprodukt Helium ist weder radioaktiv noch sonst gesundheitsgefährlich. Beim Betrieb eines Fusionsreaktors werden einzig die technischen Installationen im Reaktorinnenraum radioaktiv. Ihre Radioaktivität klingt jedoch innert 100 Jahren ab. Geologische Tiefenlager wären deshalb bei der Kernfusion nicht nötig.