Die Nullenergie-Schneelanze scheint vor dem Durchbruch zu stehen: Ein «Einstein»-Team war dabei, als der erste Prototyp von Nessy Zero Energy in Melchsee Frutt getestet wurde. Und tatsächlich: Obwohl die Lanze an keiner Steckdose hing, schneite sie bei minus 2 Grad einwandfrei.
Kein Wunder, könnte man sagen, liegt doch 700 Meter oberhalb der Melchsee als Wasserlieferant. Tatsächlich muss das Wasser in diesem Skigebiet – wie in vielen anderen – nicht den Berg hinaufgepumpt werden.Doch aus Wasser alleine entsteht noch kein Schnee. Erst zugeführte Druckluft verbindet Eiskeime und Wassertröpfchen. Auf ihrem Fallweg zur Piste werden daraus kleinste Eiskügelchen, mit anderen Worten: Kunstschnee. Herkömmliche Schneelanzen und -kanonen produzieren diese Druckluft mit einem Kompressor und der braucht Strom.
Kunstschnee ohne Strom
Drei Jahre knobelten die Strömungsingenieure der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) an einer Idee, wie man Druckluft auch ohne Strom auf die Piste bringt. Ihre Lösung war so einfach wie genial: Die nötige Druckluft wird dem Wasserdruck entnommen und in die Düse geleitet.
Die Forscher bedienten sich eines einfachen physikalischen Prinzips: Bohrt man ein Loch in eine Leitung und lässt Wasser hindurchströmen, wird Aussenluft hineingesogen. Im Falle von Nessy Zero Energy fliesst das Wasser-Luftgemisch in eine Kammer mit Überdruck. Und weil Luft leichter ist als Wasser, trennt sie sich vom Wasser und wird als Druckluft zu kostbarer Energie.
Viele Hürden bis zum Ziel
Unzählige Hürden galt es zu überwinden: So ist der verbleibende Wasserdruck für die Schneelanze viel kleiner als jener beim Einsatz von Kompressoren. Um wirklich ohne Strom beschneien zu können, muss man mit viermal weniger Zerstäubungsdruck auskommen. Auch kann für die Stabilisierung des Wasserdrucks keine strombetriebene Regeltechnik angewendet werden.
Mithilfe seines Klimawindkanals experimentierte das Team des Instituts für Fluid Engeneering in der FHNW so lange, bis es wusste, welchen Druck es gerade noch braucht, damit die Tröpfchen in der richtigen Grösse zerstäubt werden und daraus Eiskügelchen entstehen können. Denn das muss schnell gehen: Der Lanzenkopf schwebt nur wenige Meter über dem Boden und der Fall dauert gerade einmal 3 Sekunden, dann muss aus Wasser Schnee geworden sein. Viele Details, die das Team zu mancher nächtlicher Arbeitsstunde zwang. Oder, wie Projektleiter Kurt Heiniger, sagt: «Oft regnete es, statt dass es schneite.»
Trotz weniger Strom ökologisch umstritten
Bis zur seriellen Produktion rechnet der Industriepartner des KTI-Projekts, Bächler Top Track, zwar noch mit zwei Jahren. Doch die Schneemeister, die Nessy Zero Energy getestet haben, reagierten durchwegs positiv. Zumal das neue Modell einzigartig ist: Ausser der Schweizer Erfindung gibt es bisher nur ein weiteres stromfreies Modell. Es wird in Italien hergestellt, funktioniert aber erst bei rund minus 6 Grad. Für Schweizer Verhältnisse suboptimal. Nessy Zero Energy läuft schon bei minus 2 Grad Kälte.
Einige Schattenseiten wird die Kunstschneeproduktion aber wohl immer haben: Sie ist wasserintensiv. Zweieinhalb Kubikmeter Schnee verschlingen einen Kubikmeter Wasser, Technik hin oder her. Zwar wird es nach der Schneeschmelze wieder frei; weil aber künstlich beschneite Pisten im Frühling später auftauen, rechnen Biologen und Umweltschützer damit, dass sich die betroffene Pflanzenwelt langfristig anpasst. Das bedeutet eine Veränderung im ökologischen Gleichgewicht und auch im optischen Erscheinungsbild von Wiesen und Alpen. Der Tribut an den modernen Wintersport.