Wer die Inhaltsstoffe einer Handvoll Sojabohnen studiert, bekommt grosse Augen; derart reich an gesunden Inhaltsstoffen ist das Böhnchen. 100 Gramm getrocknete Sojabohnen enthalten 42 Gramm Eiweiss; das ist rund 20 Mal so viel wie in 100 Gramm Durchschnittskartoffeln. Dazu Vitamin A und Betacarotin. Und erst die Sprossen: Sie sind reich an Folsäure und verdauungsfördernden Nahrungsfasern. Schliesslich besticht Sojaöl mit Omega-3-Fettsäuren, die wichtig für das Zell-Wachstum sind. Das alles macht Sojaquark, bekannt als Tofu, zum hochwertigen Fleischersatz.
Eine Bohne mit Nuss-Aroma
Michel Bidaux ist einer der Schweizer Soja-Pioniere. Der Bauer aus dem Genfersee-Gebiet testet seit Jahren Soja-Sorten. Die Neueste heisst: Princesse 715. Eine Hektare hat er davon angebaut. Die Bohne soll nach Nüssen schmecken, würzig sein und doch «weich im Geschmack», wie er sagt. Allerdings gibt es weltweit schon Dutzende von Sojasorten. Wozu braucht Bidaux noch eine mehr? «Soja gibt es bereits weltweit», sagt er, «darum müssen wir unserem eigenen, inländischen Soja unbedingt eine eigene Identität, das heisst eine lokale Identität geben. Wir müssen uns von den anderen unterscheiden, uns abheben. Darum brauchen wir eben auch neue Sorten mit neuem Geschmack!»
Für viele Schweizer ist Tofu höchstens ein Fleischersatz für die Vegetarier-Gemeinde. Bidaux will aus dieser engen Ecke hinaus, und er ist nicht allein. Immer mehr innovative Bauern oder Produzenten kneten aus inländischem Soja alle Arten von Gourmet-Tofu. Vermischt mit Gewürzen, Nüssen oder Oliven, aber auch mit Pilzen oder Gemüse soll aus dem bescheidenen Fladen ein Gourmet-Happen werden. Bidaux liefert seine Produkte einem kleineren Detaillisten nach Genf, verkauft aber auch direkt ab Hof – ein Vermarktungsprinzip, das man immer öfter antrifft.
Trotz Forschung: Soja-Anbau bleibt riskant
Dennoch ist Soja eine verschmähte Prinzessin. Zwar werden Jahr für Jahr ganze 300‘000 Tonnen in die Schweiz importiert, doch sie landen nicht auf dem Teller, sondern in Kuh- und Schweinemägen. In der Schweiz werden nur gerade 3000 Tonnen angebaut, aus denen ausschliesslich Nahrungsmittel für Menschen entstehen.
Doch selbst, wenn die Nachfrage nach heimischer Produktion steigen würde: Ein limitierender Faktor ist sicher, dass Soja eine subtropische Pflanze ist – und trotz Neuzüchtungen wohl auch bleiben wird. Kälte behagt der ursprünglich asiatischen Bohne nicht. In der Schweiz ist sie nur bis rund 500 Meter über Meer überlebensfähig, also nur im Mittelland. Nur auf rund 1000 Hektaren wird die Pflanze angebaut.
Möglich wären 15‘000 bis 20‘000 Hektaren. Das jedenfalls behaupten die Züchter der landwirtschaftlichen Forschungsanstalt Agroscope in Nyon. Arnold Schori, ein Sojazüchter der ersten Stunde, hat bis heute 30 Sorten zur Marktreife gebracht. Eine Viertelmillion Kreuzungen benötigte er dafür. Sein vorrangiges Ziel für Schweizer Soja: Es sollte kälteresistenter werden.
«Die grossen Fortschritte sind gemacht»
Das hat er tatsächlich geschafft: Mittlerweile überlebt die subtropische Pflanze Temperatureinbrüche bis 11 Grad Celsius. Vor wenigen Jahrzehnten hielten die Agronomen das noch für unmöglich. Doch was sagen ihm nun viele Schweizer Bauern? «Das ist nicht genug!» Arnold Schori winkt ab. «Wir sind am Limit", sagt er, "es wird nicht mehr viel tiefer gehen. Die grossen Fortschritte sind gemacht.»
Dabei wäre gerade die Sojabohne für den Schweizer Ackerboden interessant. In den kleinen Wurzelknöllchen verwerten Bakterien den Stickstoff aus der Luft. Deshalb brauchen sie, anders als Weizen oder Kartoffeln, keinen künstlichen Stickstoffdünger. «Soja ist auf jeden Fall eine Nische, die Schweizer Bauern vermehrt besetzen könnten», meint Arnold Schori, der Züchter von Princesse 715.