«Die Natur zeigt uns vom Löwen nur den Schwanz», sagte Albert Einstein. Mit dem Löwen meinte er das Weltall. Doch auch beim «König der Tiere» ist nicht alles geklärt. «Mutig wie ein Löwe», heisst es seit Jahrhunderten. Die Verhaltensforschung erklärt sich dies mit der imposanten Mähne, der stolzen Haltung und dem Brüllen, das kilometerweit zu hören ist.
Gegen den Mut des Löwen spricht, dass er kaum Feinde hat – abgesehen von männlichen Rivalen und dem Menschen. Und der Kampfgeist? Auch der wird angezweifelt. Meist jagt ein Löwe nicht allein, sondern im Rudel mit ausgeklügelter Rollenverteilung. Mut braucht er dabei wenig, da die Weibchen den Hauptpart der Jagd übernehmen. Irrten sich die Römer, als sie Löwen gegen schwerbewaffnete Gladiatoren kämpfen liessen? Ist der uralte Mythos nur ein Ausdruck von Wissensmangel?
Nicht nur: Erfahrene Dompteure bezeugen, dass Löwen mutig sind. Sie meinen damit den Charakter der Raubtiere. Der Löwe greift offen an; nicht aus dem Hinterhalt, wie das Leoparden oder Geparden oft tun. Ein Löwe zeigt seinem Dompteur, wenn er angreifen will. Er springt frontal auf seinen Meister zu, wenn er wissen will, wer der Stärkere ist. Obwohl das doch längst geklärt ist: Sonst liesse der Löwe sich ja nicht dressieren.
Ist der Löwe nun mutig oder nicht? Für Wissenschaftler ist die Projektion menschlicher Werte auf Tiere immer falsch. «Alles ist relativ», hat Albert Einstein einmal gesagt. Beim mutigen Löwen scheint er recht zu behalten.