Welche Rolle spielt Künstliche Intelligenz (KI) in eurem Leben?
Tobias Müller: Eine immer wichtigere. Ich nutze ChatGPT teilweise fast wie Google. Es gibt eine neue Version, bei der die Antworten mit Links hinterlegt sind. Dann kannst du auf eine entsprechende Quelle zugreifen und kontrollieren: Ist das jetzt von der KI erfunden oder stimmt es wirklich?
Kathrin Hönegger: Ich finde es auch sehr angenehm, wenn mich Algorithmen bei Musik oder Podcasts bedienen. Mein Navi, das mich führt: KI ist eigentlich überall in unserem Alltag. Meine Kinder haben herausgefunden, dass sie mit ChatGPT Gutenachtgeschichten und dazu noch Comics erstellen lassen können. Kurz sah ich meine Karriere als Geschichtenerzählerin in Gefahr. (lacht)
Apropos Karriere: Welche Moderationsfähigkeiten habt ihr, die eine KI nicht ersetzen könnte?
Kathrin Hönegger: Eine KI rechnet, sie denkt nicht. Das ist der Unterschied. Wir denken, wir ordnen ein. Und KI kann das extrem gut imitieren, das ist verblüffend. Aber in einem «Einstein»-Experiment haben wir festgestellt: Sobald du auf eine Beziehungsebene gehst, wird es ernüchternd. Denn es kommen immer wieder Floskeln und Standardsätze.
Tobias Müller: Eine Livesendung, die eine KI moderiert, wäre langweilig. Das Menschliche würde fehlen. Auch die Spontanität, wenn wir zwei miteinander moderieren und einen guten Austausch haben. Sich einzufühlen und die richtigen Fragen mit der nötigen Empathie zu stellen: Dass eine KI das kann, werde ich nicht so schnell erleben. Aber vielleicht täusche ich mich …
Wir haben den tollsten Job: immer neugierig sein.
Wie nutzt ihr KI bei eurer Arbeit?
Tobias Müller: Neben der Unterstützung bei der Recherche – es gibt sogar eine KI, die nach Studien sucht – ist KI für mich eine Inspirationsquelle. Wenn ich Texte zu lang finde, bitte ich manchmal ChatGPT, mir zu sagen, wo ich kürzen könnte. Ich übernehme nie das Synthetische, aber nutze es als Anregung.
Kathrin Hönegger: Das geht mir ähnlich. Normalerweise setze ich auf kreative Sparringpartner wie Tobias. Wenn ich die nicht habe, finde ich Chatbots für einen kurzen Austausch hilfreich. So komme ich häufig auf neue Ideen, bin aber auch immer selbstkritisch und frage mich: Spiegelt es mir jetzt nur das wider, was ich selbst schon eingebracht habe? Aber zentral ist bei mir das Zusammenkürzen von Texten als erster Schritt für eine Recherche.
Tobias Müller: Wir recherchieren auch immer noch über andere Portale. KI ersetzt nicht, sondern ergänzt. Denn unsere journalistischen Standards sind gleichgeblieben.
Am 21. November findet in der ETH Zürich «Einstein Spezial» live vor Publikum statt. Was war bei der Vorbereitung besonders herausfordernd?
Tobias Müller: Donnerstagabend laufen viele Unterhaltungssendungen. Wie können wir zur gleichen Zeit eine Livesendung über ein technisches Thema gestalten, bei dem die Menschen viele Berührungsängste haben? Wie können wir die Sendung so aufbauen, dass sie nah bei den Leuten ist, auch einen unterhaltenden Charakter hat, aber nicht einfach nur «KI-Halli-Galli» ist? Ich denke, diese Herausforderung haben wir gut gemeistert.
Kathrin Hönegger: Wir fanden es wichtig, dass wir mit der KI reden und mit den Menschen, die sie entwickeln und anwenden. Deshalb sind wir auch in der ETH – dort, wo die Schweiz sich in der Entwicklung auszeichnet. Wir nähern uns dem Thema auf spielerische Art und machen Live-Experimente, aber wir wollen auch die sinnvolle Seite hinter der Technologie zeigen und einen Status Quo abbilden: Was kann KI, was nicht? Dann kann man sich selbst eine Meinung bilden.
Tobias Müller: So wie wir es oft machen bei «Einstein». Wir haben den tollsten Job: immer neugierig sein. Und vielleicht wird das eine oder andere am Themenabend ja auch zum Abenteuer … (lacht) Ein Internetabsturz wäre schon ungünstig.
Kathrin Hönegger: Ich habe mehr Sorge, dass ich eine Roboterhand fallen lasse. Ich habe mich schon mal erkundigt, wie hoch die Versicherungssumme wäre … (lacht)
In der Livesendung werdet ihr euch auch mit einem Avatar unterhalten. Habt ihr ihn schon kennengelernt?
Kathrin Hönegger: Nein. Das wird der grösste Nervenkitzel. Wir möchten komplett transparent sein. Wir sprechen mit dem Avatar und wenn er nichts oder nicht viel kann, zeigen wir genau das – das ist dann die Realität.
Tobias Müller: KI erleben und an Grenzen bringen soll nicht nur eine Floskel sein. Wir möchten es wirklich live und ohne Netz und doppelten Boden testen. Oder, wie ChatGPT uns als Formulierung vorgeschlagen hat: ohne Backup und Firewall.
Journalismus wird wichtiger denn je.
Was denkt ihr: Wie wird KI die Medienwelt in den nächsten Jahren prägen?
Kathrin Hönegger: Ich bin immer wieder sehr fasziniert von KI, aber ich glaube auch, dass sie häufig überschätzt wird. Ich denke, eine zentrale Fragestellung wird sein: Wie gehen wir mit KI um? Denn sie wird die Inhalte verändern, es gibt gefakte Bilder, gefakte Nachrichten. Der unabhängige Journalismus muss seine Position behalten und verteidigen.
Tobias Müller: Genau. Journalismus wird wichtiger denn je. Weil es einfach Menschen braucht, die recherchieren und Fakten checken, um zu unterscheiden: Was ist echt, was ist KI-generiert? Deshalb ist auch die Entwicklung einer Medienkompetenz, vor allem bei Kindern und Jugendlichen, so wichtig.
«Einstein Spezial» wird am Donnerstag, 21. November 2024, um 20.05 Uhr live auf SRF 1 ausgestrahlt. Zudem bietet SRF einen ganztägigen Expertinnen-Chat zum Thema Künstliche Intelligenz an.