Der Ingest-Raum im dritten Stock des News- und Sportcenter (NSC) auf dem SRF-Campus Zürich Leutschenbach ist trotz später Stunde noch erleuchtet – die Uhr zeigt 21.45 Uhr. Zeljko Barbaca sitzt auf einem Stuhl vor einer Reihe von Monitoren. An der Wand vor ihm hängen zwei grosse Mulitview-Bildschirme, auf einigen laufen Sportaufzeichnungen. Das Radio spielt, und neben sich hat Zeljko eine Tasse Kaffee stehen. Diese braucht er jedoch nicht unbedingt, um wach zu bleiben, denn «eine leichte Grundanspannung ist imer da. Selbst wenn wenig los ist, muss ich immer kontrollieren, ob alles richtig läuft», so Zeljko.
Im Ingest ist Zeljko für das Einlesen von Rohmaterial von Kameras und Harddiscs und die Aufzeichnung von Newsfeeds und Sendungen verantwortlich. Ausserdem gehört es zu seinen Aufgaben, die Aufzeichnungen zu überwachen und diese ins Archiv sowie in die Aggregation zu exportieren, die aus zwei Senderegien, die den Sendebetrieb der linearen TV-Kanäle von SRF sicherstellen, besteht. Jetzt, knapp zwei Stunden vor Mitternacht und damit Schichtende, ist es ruhig und die meiste Arbeit bereits erledigt. Doch vor ein paar Stunden sah die Situation noch ganz anders aus.
Unberechenbarer Arbeitsalltag
Wir drehen die Uhr zurück: Schon wenige Minuten nach Schichtbeginn um 16 Uhr steht der erste Redaktor vor der Tür und bittet um das Einlesen von Filmmaterial von einer Harddisc. Das ist schnell erledigt und Zeljko kann sich wieder anderen Aufgaben widmen. Als jedoch wenig später ein weiterer Redaktor nach einem Ingest für den Sport fragt, zeigt sich ein Problem mit den Dateien auf der Disc, das Zeljko noch mehrere Stunden beschäftigen wird.
Es gibt Momente, in denen man kaum dazu kommt, das Telefon abzunehmen.
Auf die Frage, wie herausfordernd der Spätdienst im Ingest ist, antwortet er: «In den ersten vier Stunden überschneiden sich Mittel- und Spätschicht, und wir sind zu zweit, da zu dieser Zeit oft viel los ist. Man weiss nie, wie viele Leute auf einmal kommen, wie viele Überspielungen und Aufzeichnungen es gibt. Es gibt Momente, in denen man kaum dazu kommt, das Telefon abzunehmen.» Die grösste Herausforderung in solchen Momenten? «Ruhig zu bleiben. Wenn mal fünf Sachen auf einmal kommen, kann niemand etwas dafür.»
Eine Sache der Konzentration
Der späte Nachmittag schreitet schnell voran. Während Zeljko noch versucht, das Problem mit der Harddisc zu lösen, ruft der sogenannte Solution Desk an. Dieser fungiert als Schnittstelle zwischen der News-Redaktion und den Ingestern und informiert letztere, wenn eine wichtige Aufzeichnung ansteht. Zeljko kommentiert: «Wenn der Solution Desk anruft und sagt, es kommt gerade was rein, dann hat das oberste Priorität.» Von der Sport-Redaktion erhalten die Ingester bereits am Vorabend eine Aufzeichnungsliste für den gesamten Tag. Jedoch können auch hier immer wieder unangemeldete Aufzeichnungen eintreffen. Diesmal bittet der Solution Desk um die Aufzeichnung zweier Kanäle, auf denen Nachrichtenagenturen demnächst live aus dem Libanon und aus Russland übertragen. Zeljko programmiert die Aufzeichnung – nun heisst es abwarten. Wenig später erscheint auf den Wandbildschirmen das Live-Bildmaterial aus dem Libanon und Russland.
Verantwortung und Nervenkitzel
Die Herausforderungen im Ingest lassen auch am Abend nicht nach, als die Aufzeichnung und Exportierung von Sendungen wie der «Tagesschau» oder «Schweiz aktuell» ansteht. Auch für Zeljko, der bereits seit 23 Jahren bei SRF und seit 20 Jahren im Ingest arbeitet, ist hier Konzentration gefragt: «Die Verantwortung am Abend ist sehr gross, denn dann bin ich allein und muss schauen, dass ich nichts vergesse. Das Schlimmste, das passieren kann, ist, dass das Signal falsch geschaltet ist, das Bild oder der Ton nicht gut ist oder eine Aufzeichnung vergessen geht», erzählt er. Feierabend haben die Ingester in der Spätschicht erst, wenn die letzte Sendungsaufzeichnung exportiert wurde.
Wirklich vorbereiten muss und kann ich mich gar nicht, denn ich weiss nie, was passiert. Das ist, was es spannend macht und einen Nervenkitzel gibt.
Trotz der grossen Herausforderungen sieht Zeljko viele Vorteile in seinem Job: «Das technische Know-how, das wir im Ingest bekommen, ist etwas Besonderes. Die Technik entwickelt sich rasend schnell und hier kriege ich Neuerungen noch schneller mit. Auch technische Probleme bringen mich weiter.» Über das Arbeiten in der Nacht sagt er: «Für mein Privatleben finde ich es cool, dass ich den Tag für mich habe. Wer kann schon tagsüber Sport machen, die Wohnung putzen oder einkaufen?» Und selbst der Unberechenbarkeit seiner Tätigkeit kann Zeljko etwas abgewinnen: «Wirklich vorbereiten muss und kann ich mich gar nicht, denn ich weiss nie, was passiert. Das ist, was es spannend macht und einen Nervenkitzel gibt».