Jennifer Bosshard (31), Moderatorin von «Gesichter & Geschichten», lacht Bernard «Beni» Thurnheer (75) an und sagt: «Eigentlich kenne ich dich, seit ich in die Windeln gemacht habe.» Schmunzelnd setzt sie sich an den runden Tisch im SRF-Personalrestaurant. «Im Ernst: Schon als Kleinkind habe ich deine Sendung ‹Benissimo› geschaut – das war immer ein Highlight für mich.» Bernard Thurnheer, einstiger SRF-Sportkommentator und Entertainer, grinst breit und entgegnet: «Stimmt, früher war das so: Entweder man hat mich am Bildschirm gesehen – oder man hatte keinen Fernseher.»
Welche Rolle spielte Fernsehen in eurer Jugend?
Bernard Thurnheer: Das erste TV-Gerät hatte ich – auf striktes Geheiss meines Vaters – erst mit 18 Jahren. Er meinte damals: «Wir sind die letzten in diesem Wohnblock, die keinen TV haben, aber wir werden die ersten mit Farbfernsehgerät sein.» Seine Annahme war wohl, dass es noch mindestens zehn Jahre dauern würde, bis dieses entwickelt ist. Zwei Jahre später hatten wir allerdings bereits unseren ersten Farbfernseher daheim. Ich erinnere mich noch, wie grell der Rasen auf dem Fussballfeld war – das hat richtig reingeknallt. Der Schnee war schneeweiss, fast unnatürlich (lacht).
Menschen gingen mit grossen, seltsamen Hörern durch die Strassen und telefonierten dabei offensichtlich.
Jennifer Bosshard: Du kannst froh sein, dass mein Vater nicht gesagt hat, dass kein Fernseher ins Haus kommt, sonst hätte ich dich ja verpasst (lacht). Ich bin tatsächlich ein Fernsehkind. Damit verbinde ich meine Highlights: «Benissimo», «Wetten, dass ..?», «Eurovision Song Contest». Da durfte ich immer vor dem TV sitzen, wir haben vor dem Bildschirm zu Abend gegessen – das klassische Lagerfeuer-Konzept. Mit elf Jahren kam das erste Handy dazu. Man konnte nur «Snake» spielen und im Notfall zwei, drei Leute anrufen.
Beni, wie erinnerst du dich an die Zeit, als Handys aufkamen?
Bernard Thurnheer: Da kommt mir vor allem ein Fernsehmoment von 1985 in den Sinn. Ich habe das «Sportpanorama» moderiert, als ein Beitrag über die Radball-WM in Hongkong, eine Sportart, bei der mit speziellen Fahrrädern in Mannschaften auf Tore gezielt wird, gezeigt wurde. Im Beitrag haben sie auch Land und Leute porträtiert. Da sah man Menschen, die mit grossen, seltsamen Hörern durch die Strassen gingen und dabei offensichtlich telefonierten. Dieser Anblick erzeugte schallendes Gelächter im «Sportpanorama»-Studio, da man diese Dinger hierzulande noch nicht kannte. Das war etwas völlig Exotisches.
Hat euch die Entwicklung des Mobiltelefons also am meisten beeindruckt?
Jennifer Bosshard: Mich definitiv. Das erste Smartphone war ein Meilenstein – aber auch Laptops. Plötzlich war es normal, dass man vollen Zugriff auf das Internet hatte. Auch übers Handy liefen immer grössere Datenmengen. Ich weiss noch: Mit meinem ersten Handy hatte ich fast einen Nervenzusammenbruch, weil ich damit kurz im Internet war (lacht). Das war so teuer. Mittlerweile schauen viele Leute ganze Sendungen auf dem Ding.
Schaust du dir auch TV-Sendungen auf dem Handy an, Beni?
Bernard Thurnheer: Nein. Ich schaue noch lineares Fernsehen auf dem Bildschirm. Manchmal läuft nichts Konkretes, dann zappe ich durchs Programm und bleibe meistens bei den gleichen Formaten hängen, oft sind das Live-Sendungen. Die «Konserven», also Voraufzeichnungen, mag ich nicht, weil da meistens sowieso nichts Aussergewöhnliches passiert. Ausser die Tore des FC Winterthur, die schaue ich mir im Nachhinein an, dann aber über die Internetseite von SRF Sport (lacht).
Wie ist das bei dir, Jennifer?
Jennifer Bosshard: Wie bei fast allen meiner Generation: Lineares Fernsehen gucke ich fast nie. Wenn ich nach der Arbeit heimkomme und den TV einschalte, dann schaue ich entweder eine Serie oder ich gucke mir eine Sendung nachträglich an. Umgekehrt nutze ich aber – im Gegensatz zu Beni – mein Handy durchaus, um Sendungen zu streamen.
Ich hatte nie geplant, Moderatorin zu werden.
Als Showmaster von «Benissimo» sowie als Sportmoderator und -kommentator wurdest du, Beni, zur nationalen TV-Legende. 2015 gingst du in den Ruhestand. Wie blickst du heute auf deine Karriere zurück?
Bernard Thurnheer: Ich hatte nie das Gefühl, ich sei ein besonderes Talent. Ich war nur zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort. Bei mir hat es einfach immer gepasst. Kaum habe ich daran gedacht, mal den «Eurovision Song Contest» zu kommentieren, ist die Anfrage 1984 gekommen. Also fast ein bisschen unheimlich.
Jennifer Bosshard: Ich finde, du klingst jetzt aber sehr bescheiden. Du hast so eine Karriere hingelegt, weil du einfach sensationell in deinem Job warst. Aber du hattest natürlich das perfekte Timing. Bei mir war es auch so: Ich hatte nie geplant, Moderatorin zu werden, es ist einfach so gekommen. Zuerst war ich Praktikantin bei «G&G», danach Redaktorin und dann Moderatorin. Aber: Du bist zu einer Zeit Moderator geworden, als das lineare Fernsehen eine riesige Bedeutung hatte, die es dir auch ermöglicht hat, eine Koryphäe zu werden. Das ist heute nicht mehr so. Heute buhlt man gleichzeitig mit Online- und sozialen Medien um die Aufmerksamkeit der Zuschauerinnen und Zuschauer.
Bernard Thurnheer: Das stimmt. Als ich 1975 vom Radio zum Fernsehen wechselte, ging es damit extrem aufwärts. Und als ich mich 2015 vom Fernsehen verabschiedete, war die ganz grosse Zeit vorbei. Und das hat nichts mit mir zu tun (lacht). Damals waren die Zeiten einfach anders, gerade was Unterhaltungssendungen angeht. Thomas Gottschalk und ich, wir sind fast automatisch konsumiert worden, da es noch nicht so viele Sender gab und man uns entweder zuschaute oder nicht. Heute wäre sowas nicht mehr möglich. Man muss viel mehr Aufwand betreiben, viel mehr Kanäle bedienen, um gleich viel zu bekommen. Man erreicht dadurch aber nicht mehr Leute, im Gegenteil.
Das klingt fast so, als wärst du froh, heute kein Fernsehen mehr zu machen!
Bernard Thurnheer: Ehrlich gesagt schon (lacht). Und heute wäre ich sicher nicht mehr so bekannt geworden.
Jennifer Bosshard: Oh doch, Beni! Vielleicht wärst du als TV-Moderator nicht ganz so prominent geworden, aber vielleicht wärst du mit lustigen Videos auf Instagram oder TikTok bekannt geworden (lacht).
Die jungen Menschen konsumieren immer weniger lineare TV-Inhalte, viele besitzen gar keinen Fernseher mehr. Wie blickt ihr in die Zukunft des Fernsehens?
Jennifer Bosshard: Es ist sicher schwieriger geworden, Budgets im Medienumfeld werden immer knapper. Das ist frustrierend für junge Leute, die im Journalismus tätig sein und Fernsehen machen wollen. Aber was mich beruhigt, ist die Tatsache, dass das bewegte Bild immer noch populär ist, einfach teils auf anderen Vektoren, also eben auf einem Smartphone oder auf einem Tablet oder auf dem Laptop statt am linearen Bildschirm.
Bernard Thurnheer: Ganz genau. Die Bedeutung wird zwar kleiner, weil es einfach immer mehr Kanäle gibt. Ich persönlich bin überzeugt – und gewisse Studien geben mir recht –, dass die Reichweite des Fernsehbilds nach wie vor viel grösser ist als die Reichweite der sozialen Medien. Für mich gilt deshalb: Fernsehen hat Zukunft und ist noch längst nicht out.