Mittelpunkt der so entstandenen «Wuttrilogie» bildet die Kind-Frau Lissy Heiliger, die es einfach nicht schafft, ihr Leben in geordnete Bahnen zu bringen. Dabei ist sie nicht allein in ihrer kleinen Welt – zwei Männer stehen ihr – mehr oder weniger – zur Seite. Da ist zum einen der alleinerziehende Vater, der seiner Tochter nicht nur sehr viel Liebe, sondern auch sehr viel anstrengendes Leben zumutet. Und zum anderen ist da ihr «Stützregal», ihr Ehemann – der aber genauso Hilfe beim Vorwärtsgehen braucht, wie Lissy selbst.
Eintauchen bitte!
Bettie I. Alfreds «Wuttrilogie» ist und schafft eine eigene atmosphärische Welt. Und lebt von einer berührenden Mischung aus Witz und Schwermut: der spezielle Klang von Bettie I Alfreds Aufnahmen, das Abspielen verzerrter Musik, die verrauschten Wortaufnahmen, das Zurückspulen, Wiederholen und Korrigieren von Sätzen. All das zeigt nicht nur die Ambivalenzen der Beziehungen und Atmosphären in Lissys Leben auf, sondern lässt das Publikum gekonnt und unterhaltsam am Prozess des Hörspielmachens teilhaben. Bettie I. Alfred spricht ihre Protagonistin dabei in allen Lebenslagen selbst – teilweise mit künstlich hochgepitchter Kleinkindstimme. Und das ist nur konsequent – vermischen sich doch auch in ihren Hörspielen fiktive Geschichten mit anekdotischen Erinnerungen. Zusammen mit den wunderbaren Stimmen von Jens Harzer als Ehemann und Leopold von Verschuer als Vater entführt uns Bettie I. Alfred immer weder in dieses liebevolle Wahnsinnskästchen, das Lissy Heiligers Leben ist - und aus dem sie nicht herauskann.
Die ganze «Wut»-Trilogie
1. Teil: «Reisewut»
Sie sind ein wirklich ungleiches Duo: Sie ist klein, Trennungskind – und wahnsinnig gestresst, sobald sie das Auto ihres Vaters sieht. Er ist circa vierzig, eigentlich ein liebenswürdiger Kauz, aber mit der alleinigen Erziehung seiner Tochter oft überfordert. «Hör auf. Ich weiss doch, dass du glücklich bist.» ist seine Antwort auf alles, was dem kleinen Mädchen Sorgen oder Angst macht. Mit: Bettie I.Alfred und Leopold von Verschuer – Autorenproduktion in Zusammenarbeit mit dem rbb, 2019 – Dauer: 48’
2. Teil: «Zauderwut»
Lissy Heiliger ist den Kinderschuhen entwachsen; aber gross ist sie deswegen noch lange nicht. Der Vater ist nur noch ein «halber Vater» und der Ehemann kann mit Lissys Zaudern besser leben als sie selbst. Übrig bleibt eine nervös-zerstreute Frau mittleren Alters, die mit den Aufgaben des Lebens nur widerstrebend fertig wird. Hörspiel des Monats Dezember 2020: Mit minimalistischen Mitteln macht das Stück Lissys Zaudern hörbar und legt zugleich den künstlerischen Schaffensprozess einer Hörspielproduktion offen. Lissy rekapituliert, protokolliert und erinnert sich an Ereignisse aus ihrer Vergangenheit, die mit der Gegenwart verschwimmen. Durch stilistische Kniffe wie Loops und Sprachaufnahmen, in denen Lissy laut an Sätzen feilt, die sie anschließend aufschreibt, entfaltet „Zauderwut“ eine wehmütige Komik des Scheiterns. (Aus der Jurybegründung der Deutschen Akademie der Darstellenden Künste) Mit: Bettie I. Alfred, Leopold von Verschuer, Jens Harzer sowie Daniel Höpfner und Paul Affeld – Autorenproduktion 2020 – Dauer: 51’
3. Teil: «Scheinwut»
Die Wut darüber, dass man nicht der Mensch ist, der man gerne geworden wäre – daran hadert Lissy Heiliger immer wieder. Ob als Mitmensch ganz allgemein, als Ehefrau im Spezielleren oder als Romanautorin im ganz Konkreten. Kann sie beispielsweise über etwas schreiben, das nicht autobiographisch unterfüttert ist? Wie kriegt man nur die Gedanken an den Vater aus dem Kopf, der in der Heilanstalt sitzt und stundenlang Labyrinthe zeichnet? Wie die traurigen Erinnerungen an den Verlust einer fast hundertjährigen Köhler-Schildkröte? Mit: Bettie I. Alfred, Leopold von Verschuer, Jens Harzer und Daniel Höpfner – Autorenproduktion in Zusammenarbeit mit dem SWR 2021 – Dauer: 54’
Hörspielzauber aus dem Balkonstudio
Hörspielredakteurin und begeisterte Anhängerin der «Wuttrilogie» Susanne Janson hat mit Bettie I. Alfred geplaudert. Das ganze Gespräch hören Sie hier.
(Nachtrag: Bei Minute 16 gab es bei Bettie I. Alfred eine spontane unfreiwillige Verwechslung. Das Hörspiel «Die Rede an die Tiere» von Valère Novarina wurde von Jens Harzer gesprochen und von Leopold von Verschuer inszeniert. Eine Produktion von Deutschlandradio Kultur 2016; Anm. d.Red.)