Zum Inhalt springen
Video
Nach Beratung: Viel mehr Zusatzversicherungen als bestellt
Aus Kassensturz vom 01.11.2016.
abspielen. Laufzeit 6 Minuten 7 Sekunden.

Versicherungen Fragwürdige Versicherungsberatung: Assura lenkt ein

Nach dem Beratungsgespräch mit einem Versicherungsvermittler tauchen auf der Police plötzlich viel mehr Zusätze auf als abgemacht. Der Verdacht: Zusätze wurden teilweise nachträglich aufgeführt. Lange Zeit beharrte die Assura auf den Verträgen. Nun lenkt sie ein und annulliert alle Zusätze.

René und Edith Tobler haben sich letztes Jahr von einem Versicherungs-Vermittler aus dem Raum Bern beraten lassen. Das Ziel des Gesprächs sei klar gewesen: «Wir wollten schauen, was wir an Kosten einsparen können», sagt René Tobler

Service:

Box aufklappen Box zuklappen

Bei den Zusatzversicherungen wollte das Paar für sich und die Familie nur gerade das Nötigste. Doch es kommt ganz anders. «Jetzt haben wir ein Megapaket mit Privat-, Halbprivat- und irgendwelchen sonstigen Zusatzversicherungen, von denen ich noch nie gehört habe.»

Plötzlich sechs Mal höhere Prämien

Statt rund 90 Franken pro Monat für die Zusatzversicherungen bei der bisherigen Kasse, zahlen Toblers ab nächstem Jahr 540 Franken. Im Jahr also rund 6500 Franken. Kommt hinzu: Der Vertrag läuft über fünf Jahre. Eine ungeheure finanzielle Belastung für die Familie

Verdacht: Zusätze nachträglich angekreuzt

Im Vertrag finden sich auch absurde Zusätze. Für den vierjährigen Sohn etwa ein Zusatz für die Privatabteilung im Spital und eine Kapitalversicherung im Falle eines Spitalaufenthaltes. So etwas hätte er nie unterschrieben, sagt René Tobler. Er hegt einen schlimmen Verdacht: «So wie ich mich erinnere, hat der Berater einige Sachen angekreuzt. Das haben wir unterschrieben. Im Nachhinein habe ich das Gefühl, dass er dann noch mehr angekreuzt hat.»

Berater bestreitet alle Vorwürfe

Der Versicherungsvermittler will vor der Kamera zum Fall keine Stellung nehmen. Schriftlich teilt er unter anderem mit: «Ich habe alles genau nach Wunsch von Herrn und Frau Tobler gemacht. Sie haben ja alles nochmal von der Assura erhalten. Wäre etwas falsch gewesen, wäre genug Zeit gewesen, das zu stornieren.»

Das Ehepaar Tobler hat nach Erhalt der Policen reagiert. Und zwar direkt beim Berater. Er solle das in Ordnung bringen. «Er hat uns aber monatelang hingehalten. Und irgendwann war es zu spät», so René Tobler.

Nachträgliche Manipulation schwer beweisbar

«Kassensturz» liegen die vom Agenten eingereichten Anträge vor. Ob Zusätze im Nachhinein angekreuzt wurden, lässt sich nicht belegen, ist aber auch nicht auszuschliessen.

Doch seltsam: Als Hausarzt führt der Vermittler in den Anträgen einen Arzt auf, bei dem niemand aus der Familie in Behandlung war. Das habe man so während der Beratung besprochen, sagt dazu der Vermittler. Das stimme nicht, sagt René Tobler: «Ich hätte einem Arztwechsel sicher nicht zugestimmt.»

Konsumentenforum: Berater bekannt

Das Konsumentenforum KF bearbeitet seit längerem mehrere Dossiers zu besagtem Berater. «Es ist immer das gleiche Muster», sagt Cristian Torrado, Rechtsberater beim KF: «Die Leute sehen sich konfrontiert mit Zusatzversicherungen, die sie gar nicht wollten. Zumindest nicht in diesem Ausmass.»

Das KF sieht nun auch bei der Assura Handlungsbedarf: «Wir haben zehn Fälle, über die wir Assura informiert haben. Die Kasse weiss, worum es geht und hätte die Leute schon früher aus den Verträgen entlassen können.»

Brisant: Ein grosser Schweizer Krankenversicherer bestätigt «Kassensturz», man habe die Zusammenarbeit mit dem Versicherungsvermittler im April gekündigt. Grund: Verdacht auf Urkundenfälschung.

Assura lenkt nun ein

René Tobler hat lange versucht, den Fall mit Assura direkt zu lösen. Doch vergeblich. Die Kasse beschied ihm vor kurzem, die «Festsetzung der Verträge sei nicht zu beanstanden». Auch gegenüber «Kassensturz» vertrat Assura zunächst diese Haltung.

Jetzt lenkt die Kasse jedoch ein. Alle Zusatzversicherungen würden annulliert, bestätigt Assura-Sprecher Daniel Herrera. Zum Verdacht, dass die Anträge nachträglich manipuliert worden sein könnten, will sich Assura nicht äussern. Die vorliegenden «Indizien» würden jedoch ausreichen, um die Police der Familie Tobler neu zu beurteilen. Weiter teilt Assura mit, man arbeite nicht mehr mit dem betreffenden Versicherungsvermittler zusammen.

Meistgelesene Artikel